Explosiver Tag

Morgens um vier klingelte der Wecker, wir wollten früh los, um vor dem Einsetzen des Verkehrs und vor allem vor der grossen Hitze so weit wie möglich voran zu kommen. Das hat fürs Erste auch gut geklappt. Die ersten dreissig Kilometer gingen flott von statten. Erst war die Strasse vierspurig, dann drei, kurz nach Verlassen des Speckgürtels um die Hauptstadt gab es noch zwei Spuren und danach bewegte sich der Verkehr auf einer Strasse, die gut im Schuss ist.  Uns begegneten zwei Radfahrer aus der Gegenrichtung kommend. Aufgrund des Verkehrs war nur Winken möglich. Das haben wir an diesem Tag sehr, sehr häufig gemacht. Winken und wahlweise «hello», «sdrastvitje» oder «salom» rufen. Bei einer kurzen Pause – ich musste mich etwas von der Hitze erholen – düsten noch zwei weitere Tourenfahrer an uns vorbei. Am frühen Nachmittag ruhten wir uns in einem Restaurant mit wunderbarem Ausblick aus. Auch hier wurden wir von neugierigen Kinderaugen beäugt. Ein Jugendlicher sprach uns auf Englisch an. Er lernt in der Schule drei Fremdsprachen: Englisch, Russisch und Türkisch.

  

Gegen vier kapitulierte ich beim Anblick des nächsten Aufstieges – leider noch vor der Passhöhe. Eigentlich war (ambitioniert) geplant, den Kalaynay-Pass von 1700 m noch zu überqueren. Wir stellten unsere Räder am Strassenrand ab, ich setzte mich bequem auf den Rand eines trockenen Bewässerungskanals, als es einen lauten Knall gab. Der erste Gedanke war, dass ein Schlauch geplatzt sein muss. Aber alles war ok. Erst abends fanden wir die Ursache: das neu gekaufte Feuerzeug ist wohl aufgrund der Hitze in der Fronttasche explodiert. Für unser Zelt fanden wir ein Plätzchen in Strassennähe aber dennoch etwas geschützt vor neugierigen Blicken. Zum Znacht gab es Nüdeli mit Soja-Bolognese-Sauce. Philipp ist ein guter Outdoor-Koch, eigentlich. Aber leider wollten die im Hostel in Dushanbe gekauften russischen Gaskartouchen nicht so richtig auf den Gaskocher passen. Es gab zwar eine Flamme, aber die war zu schwach, um das Wasser zum Kochen zu bringen. So gab es dann verkochte aber irgendwie dennoch harte Nudeln an Bolognese-Suppe. Abends wie auch nachts fuhren zahlreiche Laster, meist mit Treibstoff beladen, vorbei – wohl um das Mega-Projekt Rogun Staudamm mit Treibstoff zu versorgen.Morgens um vier klingelte der Wecker, wir wollten früh los, um vor dem Einsetzen des Verkehrs und vor allem vor der grossen Hitze so weit wie möglich voran zu kommen. Das hat fürs Erste auch gut geklappt. Die ersten dreissig Kilometer gingen flott von statten. Erst war die Strasse vierspurig, dann drei, kurz nach Verlassen des Speckgürtels um die Hauptstadt gab es noch zwei Spuren und danach bewegte sich der Verkehr auf einer Strasse, die gut im Schuss ist.  Uns begegneten zwei Radfahrer aus der Gegenrichtung kommend. Aufgrund des Verkehrs war nur Winken möglich. Das haben wir an diesem Tag sehr, sehr häufig gemacht. Winken und wahlweise «hello», «sdrastvitje» oder «salom» rufen. Bei einer kurzen Pause – ich musste mich etwas von der Hitze erholen – düsten noch zwei weitere Tourenfahrer an uns vorbei. Am frühen Nachmittag ruhten wir uns in einem Restaurant mit wunderbarem Ausblick aus. Auch hier wurden wir von neugierigen Kinderaugen beäugt. Ein Jugendlicher sprach uns auf Englisch an. Er lernt in der Schule drei Fremdsprachen: Englisch, Russisch und Türkisch.

 

Gegen vier kapitulierte ich beim Anblick des nächsten Aufstieges – leider noch vor der Passhöhe. Eigentlich war (ambitioniert) geplant, den Kalaynay-Pass von 1700 m noch zu überqueren. Wir stellten unsere Räder am Strassenrand ab, ich setzte mich bequem auf den Rand eines trockenen Bewässerungskanals, als es einen lauten Knall gab. Der erste Gedanke war, dass ein Schlauch geplatzt sein muss. Aber alles war ok. Erst abends fanden wir die Ursache: das neu gekaufte Feuerzeug ist wohl aufgrund der Hitze in der Fronttasche explodiert. Für unser Zelt fanden wir ein Plätzchen in Strassennähe aber dennoch etwas geschützt vor neugierigen Blicken. Zum Znacht gab es Nüdeli mit Soja-Bolognese-Sauce. Philipp ist ein guter Outdoor-Koch, eigentlich. Aber leider wollten die im Hostel in Dushanbe gekauften russischen Gaskartouchen nicht so richtig auf den Gaskocher passen. Es gab zwar eine Flamme, aber die war zu schwach, um das Wasser zum Kochen zu bringen. So gab es dann verkochte aber irgendwie dennoch harte Nudeln an Bolognese-Suppe. Abends wie auch nachts fuhren zahlreiche Laster, meist mit Treibstoff beladen, vorbei – wohl um das Mega-Projekt Rogun Staudamm mit Treibstoff zu versorgen. 

Distanz: 62 km, von Duschanbe nach Gulomdavlat

rauf: ca. 900 Höhenmeter

runter: ca. 200 Höhenmeter

Temperatur: um die 40°C, unangenehm heiss

Strasse: top!

Highlights: die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen, denen wir begegnet sind!

Wassermelone - ein Genuss!

Der Wecker klingelt auch heute wieder früh. Wir wollen wieder die wenigen kühlen Stunden des Tages nutzen. Bald erreichen wir die Passhöhe auf 1780 m. Ein Schild sucht man vergebens. Endlich hab ich meinen ersten richtigen Pass mit dem Velo erklommen!

Schon am ersten Tag begegneten wir zahlreichen Melonenverkäufern am Strassenrand. Als wir dann Lust auf eine Wassermelone hatten, war es aber vorbei mit den Möglichkeiten. Diesen Fehler begehen wir heute nicht. Kurz vor neun machen wir eine Wassermelonen-Pause. Philipp wählt die Kleinste aus – die immer noch recht gross ist. Wir zahlen 4 Somoni, weniger als 50 Rappen. Wir wären auch noch zum Tee ins Haus eingeladen worden, aber wir wollen ja weiter. Also löffeln wir die Melone am Strassenrand, umringt von Kindern. Wir werden auch aufgefordert, Fotos mit den Jungs zu machen, die uns die Wassermelone verkauften. Weiter geht es auf meist guten Strassen runter in Richtung Rogun-Staudamm. Bald gibt es die erste Passkontrolle. Der Polizist hat Freude an unseren Pässen, da er offenbar im August in der Schweiz Ferien machen will. In Obigarm decken wir uns mit Wasser, Guetzli und Chips ein. Sogar den Abfall, den ich bisher in einer kleinen Tüte an meinem Gepäck befestigt hatte, kann ich entsorgen, als gerade ein Laster vorbeifährt und alle Abfalleimer leert. Wohin das wohl kommt? Es geht weiter runter zum Vaksh, ein gewaltiger Gebirgsstrom! Den Staudamm selbst sehen wir nicht. Aber einen Teil der gigantischen Baustelle(n), die für diesen riesigen Schüttdamm notwendig sind. 

Der Weg führt entlang des Tals, das geflutet wird. Da wird natürlich keine Strasse mehr repariert und so ist auch deren Zustand. Die Strasse besteht aus Überresten von kleinen Asphaltflecken zwischen einem holprigen Kies-Sand-Schutt-Belag. Das geht manchmal erstaunlich gut, bergauf wird es für mich zum Kampf. Bald neigt sich meine Energie zu Ende. Ich muss mein Velo schieben. Das ist mit vielem Gepäck alles andere als ein Vergnügen und geht nur bedingt leichter. Aber die Wahrscheinlichkeit ist wesentlich kleiner, auf die Schnauze zu fallen oder weil nicht rechtzeitig aus den Klipppedalen rauskommend wie ein Kartoffelsack zur Seite zu plumpsen. Auch für die Autos ist es wohl mühsam. Einzig die Motorräder düsen in vollem Garacho an uns vorbei. Erst werden wir von einer Gruppe überholt, die wir schon in Dushanbe im selben Hostel angetroffen hatten. Der Holländer prophezeite noch «you will see my dust» und so ist es dann auch. Allerdings ist in Motorradkluft bei 40° unterwegs zu sein wohl auch nicht das reine Vergnügen – das rede ich mir wenigstens in diesem Moment ein. Auch eine Gruppe mit Thurgauer Nummernschildern düsen an uns vorbei. Irgendwann hält ein Fahrzeug aus der Gegenrichtung kommend mit dem Symbol einer grossen Hilfsorganisation drauf mit vier Männern drin neben mir und erkundigt sich auf Englisch: «What’s the problem?» Am liebsten würde ich ihm anbieten, mit meinem Velo mal 50 m zu fahren und dann nochmals seine Frage zu überdenken. Ich lasse es aber bleiben, lächle freundlich und sage, dass es kein Problem gibt, ich nur etwas müde bin.

 

Als die schlimmste Stelle überwunden ist, kaufen wir uns im Dorf Aligalabon eine kühle Flasche Fanta – herrlich! Von dort gibt es nochmals einen kurzen Aufstieg, danach geht es sehr holprig runter nach Chorsada. Wir treffen auf zwei Polen, die schon einen Monat mit ihrem Mountainbike unterwegs sind (via Bartang) und nun auf dem Rückweg nach Duschanbe sind. Sie fuhren die Route anders rum als wir es planen zu tun. Beim nächsten Aufstieg überholen wir einen am Strassenrand stehenden Laster mit russischem Kennzeichen. Weiter vorne treffen wir auf zwei Männer mit einem Wasserkanister, die auf dem Weg zu einer Quelle sind. Der Motor empfand die Temperaturen wohl auch als zu heiss. Wir finden einen guten Biwak-Platz oberhalb der Strasse. Gekocht wird mit einer anderen Düse und nun klappt das auch. Das Essen ist zwar fein, aber ich habe nicht wirklich Appetit, schlafen – einfach nur schlafen, das ist mein Wunsch! Im Dunkeln hören wir noch, wie der russische Laster angekrochen kommt und weiter unten (zwangs)pausiert. 

Distanz: 65 km von Gulomdavlat nach Aini

rauf: 350 Höhenmeter

runter: 410 Höhenmeter

Temperatur: leider immer noch sehr heiss

Strasse: Belag wird schlechter

Highlights: Genuss einer erfrischenden Wassermelone, kurzer Schwatz mit dem Polizisten, Anblick des Flusses Vaksh!

Rogun Staudammprojekt (August 2014 vs Juli 2017)

Mit Ovi chasch es nöd besser aber länger!

Der Tag beginnt gut, der Ausblick auf den Vaksh ist herrlich! Aufstieg, dann Abfahrt. Kurz darauf fahren wir an einem Restaurant vorbei, wo wir wieder auf die beiden Russen treffen. Inzwischen hat ihr LKW zudem einen Plattfuss, da nutzt ein Eimer Wasser auch nicht mehr viel. Auch sie erkennen uns wieder und winken. Die Strasse folgt dem Fluss. Leider schlängelt sich die Strasse nicht parallel zum Flussniveau leicht aufwärts, sondern es gibt ein stetes Auf und Ab. Der Vaksh wird durch den Zusammenfluss von Surkhob und Obi Khingob gebildet. Bevor wir den Surkhob überqueren, machen wir in einem Restaurant eine Pause. Mit meinen bescheidenen Russischkenntnissen frage ich, was sie haben und bitte um Tee und Suppe ohne Fleisch. Es werden neben Tee schliesslich Brot, Tomaten, viele scharfe Peperoni und Suppe mit einem Stück Hammel aufgetischt. Das knorpelige und fettige Fleischstück wäre zwar sicher nahrhaft, wir platzieren es aber in einer leeren Schale und löffeln die feine Suppe. Danach schwingen wir uns wieder auf den Sattel und überqueren auf einer massiven Brücke den Surkhob. Bald darauf stossen wir auf eine Quelle, wo ich kurz pausiere. Weiter oben begegne ich einigen Jugendlichen, die mich fröhlich mit «How are you?» begrüssen, «good» rufe ich entgegen und strample weiter bergauf. Nach einer Kurve auf der Ebene wartet Philipp. Bei ihm steht ein älterer Herr, der zu Fuss unterwegs ist. Er hat Philipp sein Brot geschenkt. Ich versuche zu erklären, dass wir Brot haben. Vergeblich. Er will es uns schenken. Unsere Postkarten aus der Schweiz sind alles andere als griffbereit. Nächstes Mal müssen wir besser vorbereitet sein. Wir fahren weiter mit neuem Proviant, der Herr marschiert in der Gegenrichtung weiter – wohl ohne Proviant.

Wir erreichen Labijar, wo es nochmals eine Passkontrolle gibt, danach geht es ab in die Berge (das bedeutet natürlich rauf in die Berge). Bei den Checkpoints werden sorgfältig von Hand Name, Pass- und Visanummer in ein grosses Buch eingetragen. Die Strasse wird schmaler, die Brücken abenteuerlicher – man ist in solchen Momenten froh, nicht mehrere Tonnen zu wiegen. Auf der einen Seite des Weges ragt die Felswand steil nach oben, auf der anderen Seite der Strasse fällt der Hang steil zum reissenden Bergbach ab. Auf der anderen Flussseite geht es ebenfalls steil nach oben. Die zuvor offene, teils recht grüne Landschaft wirkt nun schon fast bedrohlich in dieser schmalen Schlucht. Der Weg ist beschwerlich und es wird bald klar, dass wir es nicht bis zum geplanten Punkt schaffen werden. Ich bin müde und finde es einfach nur noch mühsam und anstrengend. Als ich richtig vermutend das Dach des anvisierten Ziels – das Blue Lake Restaurant – in der Ferne erblicke, die Strasse eigentlich gar nicht so übel ist und es sogar geradeaus geht, finde ich aber, dass ich keinen Meter mehr weiter mag und setze mich wie ein fünfjähriges Mädchen heulend an den Strassenrand. Nach einigen Minuten am Schatten unter einem Strauch (die Bäume sind leider nicht mehr so zahlreich), wird mir klar, dass das nicht normal ist. Ich überlege mir, was ich heute und die Tage zuvor gegessen habe - nicht sonderlich viel. Also breche ich bereits am Tag drei meine eisernen Reserven an und esse ein Ovo-Sport. Danach ist die Welt wieder in Ordnung! Getreu dem Werbespruch schwinge ich mich wieder auf den Sattel und lege die kurze Distanz zum Restaurant zurück. Im Restaurant angekommen, sehen wir eine Wassermelone im Garten liegen, die lassen wir uns auch sogleich servieren – welch Leckerbissen. Danach gibt es noch eine Suppe mit Gemüse und Fleisch (mein Russisches «bies mjasa» wurde offensichtlich wieder nicht verstanden). Den undefinierbaren Fleischmocken lagerten wir wieder umgehend in ein freies Schälchen um. Dieses Mal dominiert leider der Hammelgeschmack die Suppe. Das Restaurant hat auch Zimmer, also müssen wir nicht das Zelt aufstellen. Die Übernachtung und das Abendessen kosten gerade mal knapp zehn Franken für uns beide.

Distanz: 41 km von Aini nach Blue Lake

rauf: 540 Höhenmeter

runter: 510 Höhenmeter

Temperatur: immer noch warm

Strasse: grösstenteils nicht geteert

Highlights: Ovosport! Begegnung mit dem älteren Herr, der uns seinen Proviant aufgedrängt hat. Kontrast der Landschaft

Der Mann im Blumenmeer

Wir verlassen frühmorgens das Hotel am blauen See, das aus Sowjet-Zeiten stammt und dementsprechend im Schuss ist. Morgens um fünf hat es angenehme 22°. Auf steinigen Wegen geht es kurz nach Dämmerung los. Wenig später komme ich diesen Steinen näher als mir lieb ist. Ich schaffe es nicht rechtzeitig mit einem Fuss aus der Klickpedale und kippe wie ein Kartoffelsack seitlich zu Boden. Der Sturz verläuft zum Glück ohne ernsthafte Verletzung, ausser einer kleinen Schnitt- und Schürfwunde habe ich trotz des harten und steinigen Untergrunds keine Verletzung davongetragen (Monate später stellt mein Physiotherapeut zwar ein verschobenes Becken fest, aber das ist eine andere Geschichte). Bald sehen wir mehr vom Himmel, das Tal weitet sich, die Bergflanken sind weniger steil als am Tag zuvor. In der Ebene sehen wir erstmals ein Minen-Warnschild. Es schaut schon ziemlich mitgenommen aus. Ob es noch Gültigkeit hat wollen wir trotz der zahlreich weidenden Kühe und Schafe nicht rausfinden und bleiben auf der sicheren Strasse resp. auf dem Kiesweg. 

Nach einigen Stunden im Sattel neigen sich meine Energiereserven dem Ende zu. Als wir einen kleinen Dorfladen erblicken, legen wir einen Zwischenstopp ein. Fein säuberlich aufgereiht stehen die einzelnen Produkte auf wenigen Regalbrettern zum Verkauf bereit. Es hat alles, was mein Herz begehrt: Pepsi und Snickers! Hinter dem Tresen blickt mich ein Herr freundlich und neugierig an. Er fragt woher wir kommen und wohin wir fahren und kommt auch nach draussen. Dort hat sich bereits ein weiterer Mann zu Philipp gesellt. Neugierig werden unsere Velos bestaunt. Erstmals fällt jemandem mein Riemen auf. Für viel mehr als «choroscho» und Daume hoch, reicht es leider nicht. Wäre schon gäbig, wenn man diese Sprache wirklich beherrschen würde und sich mit den Menschen richtig unterhalten könnte! Wenig später begegnen wir einem rennenden Mann in Trainerhosen und Schweiss-Stirnband. Ich schaue ihn völlig entgeistert an und realisiere als wir schon vorbei sind: das ist ein Jogger!

Die erste etwas grössere Siedlung, die wir durchfahren, ist Childara mit einer schmucken Moschee aus Backsteinen. Kurz vor dem Ort fahren wir an einer gefassten Quelle vorbei. Nach dem Mittag machen wir Halt in Tavildara und kaufen Guetzli, Gurken und Süssgetränke ein. Frischprodukte hat es in den Geschäften selten. Das haben die Leute wohl selbst. Hier erreichen wir ein Hochtal, der Fluss ist nicht mehr zwischen engen Felswänden eingezwängt und wir machen am Schatten oberhalb des Flusses eine späte Mittagspause.

Wir schaffen es auf die Höhe von 1850 m, so wird der lange Anstieg am nächsten Tag etwas weniger lang. Nach dem Dorf Inkuh finden wir auf einer Weide einen schönen Biwak-Platz, wo wir den Sonnenuntergang bei Nüdeli mit Sauce geniessen können. Früh kriechen wir in den Schlafsack, morgen wartet Grosses resp. Hohes auf uns.

Distanz: 62 km von Blue Lake nach Inkuh

rauf: 720 Höhenmeter

runter: 400 Höhenmeter

Temperatur: endlich angenehm

Strasse: naja

Highlights: Abendstimmung im Hochtal

Träume

Das Stück Schokoladenkuchen mit dickem Schoggi-Überzug hab ich schon gegessen, die Krümel kleben noch an meinen Lippen. Das luftige Ofenchüechli liegt zum Reinbeissen bereits in meiner Hand. Dann ist es vier Uhr. Der Wecker klingelt. Fies!

Heute steht der Khaburabot-Pass auf dem Programm: 1400 m rauf, 2000 m runter. Für jemanden, der vor wenigen Tagen seinen ersten Pass mit dem Velo gemeistert hat,  ist das viel – geübte Velofahren haben dafür wohl nur ein müdes lächeln übrig. Zuerst führt der Weg durch eine Schlucht und steigt sanft an. Einzig die Strasse ist weniger sanft, holprig geht es bergauf, gesäumt von Wiesen und Weideflächen mit Kühen und Pferden. Die sanfte Hügellandschaft wird mehrfach jäh von Erosionseinschnitten unterbrochen. Einige wenige Male begegnen uns Leute. Meist lautet die Frage «at kuda», «schwizarija» ist dann die Antwort. Nach dem Bewältigen der ersten 500 Höhenmetern wird die nächste Etappe sichtbar – zum Glück! Ich möchte nicht von Beginn an sehen, wo ich noch rauf muss. Das fände ich demotivierend. Holprig geht es auch beim zweiten Abschnitt bergauf. Auf unserer Karte ist ein Restaurant eingezeichnet, dort wollten wir Tee trinken. Mein Lichtblick! Oben angekommen, gibt es eine grosse Terrasse, wo einer in Militärkluft und Kalaschnikow sitzt. Beim Eingang plätschert kühles Quellwasser. Es stellt sich heraus – nachdem ich nach Tee gefragt hatte – dass das kein Restaurant, sondern ein Militärposten ist. Die Soldaten waren freundlich. Hätten wir Tassen griffbereit gehabt, hätten wir Tee bekommen. Hatten wir aber nicht. Die waren stratigraphisch in einer vorderen Radtasche weit unten im Pfannenset verstaut. So füllen wir lediglich unsere Wasserflaschen auf und treten wieder in die Pedale oder wie in meinem Fall: schieben das Rad weiter. Es gibt nochmals einen leichten Anstieg und nach der Kurve noch einer, bis wieder ein Zwischenboden – immerhin schon auf 3000 m – erreicht wird. Wir machen eine kurze Pause, während die Sonne auf uns niederbrennt. Wenige Meter neben der Strasse gibt es zwar zwei halb zerfallene Bauten, die Schatten spenden würden. Da wir aber im Vorfeld mehrfach gelesen hatten, dass dieser Streckenabschnitt vermint ist, setzen wir uns halt in den Schatten unserer Räder und essen unsere Gurken und einige Kekse. Philipp hat mir für diesen Pass Doping eingepackt: Energy Cola. Eigentlich dachte ich, ich spare mir das lieber für härtere Tage auf, andererseits hat der Beutel bereits ein kleines Loch und die Tüte ist klebrig. Also probier ich zum ersten Mal diese Sportler-Sofort-Energie-Flüssignahrung auf die einige meiner Gigathlon-Gspänli so sehr schwören. Ja doch, das Zeug wirkt. Die letzten 350 Höhenmeter gingen ziemlich flott voran, ein wenig vergass ich alles rundherum und wollte nur noch da rauf. Gleichzeitig finde ich diesen Tunnelblick etwas befremdlich (ich frage mich, ob das Zeug auch zum Arbeiten wirkt). Oben angekommen geht es nur noch runter und bald beginnt der eigentlich mühsame Part, womit ich nicht gerechnet hätte. Denn bis anhin hätte ich ja die Meinung geäussert, runter ist immer besser als rauf. Nach dem heutigen Tag bin ich mir dessen nicht mehr so sicher.

Auf der anderen Pass-Seite ändert sich die Landschaft. Von lieblich, grün und sanft zu schroff, trocken und felsig. Bei den wenigen Bewohnern im oberen Teil der Abfahrt haben sogar leere PET-Flaschen einen Wert. Kinder haben uns diese abgeluchst. Dieser Abschnitt erweckt bisher den ärmlichsten Eindruck unserer Tour. Die folgenden zwei Stunden müssen wir regelmässig kurze Pausen einlegen. Die ständige Konzentration auf die holprige Strasse bestehend aus verschieden grossen, meist losen Schottersteinen und immer auf den Bremsklötzen zu sein, das finde ich unglaublich anstrengend und ermüdend. Unten werden von zwei jungen Soldaten unsere beider Namen, Passnummer und Visadaten in ein grosses Heft eingetragen. Dann folgen nochmals 500 Höhenmeter bergab entlang eines rauschenden, eisig kalten Bergbaches bis wir in Qal'ai Khumb angelangen. Dort erwarten uns in einem Homestay Znacht bestehend aus Gurken, Tomaten, Wassermelone, Joghurt, Brot, Gemüsesuppe und Pommes. Festmahl!!! und das erst noch nach einer Dusche, welch Wohltat! 

Distanz: 60 km von Inkuh nach Qal'ai Khumb

rauf: 1400 Höhenmeter

runter: knapp 2000 Höhenmeter

Temperatur: ok

Strasse: mal so :-) mal so :-(

Highlights: die Wiesen und Weiden entlang der Passstrasse beim Hochfahren, die komplett andere Landschaft beim runterfahren

Afghanistan!

Ausschlafen – oder wenigstens den Versuch dazu machen wir. Das klappt nach regelmässigem Aufstehen um vier Uhr nur so mässig gut. Nach einer Nacht in einem richtigen Bett gibt es richtiges Frühstück auf der Terrasse direkt am Fluss mit Eier, Brot, Aprikosen und Chriesi-Konfitüre sowie Tee. Danach wollen wir endlich den Grenzfluss sehen, entlang dessen wir uns die folgenden Tage bewegen werden. Ein kurzer Spaziergang führt uns an den Panj, ein reissender, brauner Strom, der uns von Afghanistan trennt. Wir schauen staunend auf die andere Flussseite. Die letzten Tage waren intensiv und vergingen wie im Flug, so dass es sich – obwohl geplant und erwartet – nun doch surreal anfühlt, Afghanistan vor der Nase zu haben. Dort, wo die Geschichten von Khaled Hosseini spielen. Das Land mit den türkisblauen Band e-Amir Seen und den UNESCO Welterbe-Stätten Bamiyan und Dscham. Baktrien, woher die Chlorit-Statuetten stammen. In einigen Tagen werden wir die Berge des Hindukusch erblicken können. Ich freue mich sehr, die folgenden zwei Wochen diesem Grenzflusses zu folgen. Im Ort gibt es eine Brücke, wir sehen den Zugang nicht und letztlich trennt uns auch ein fehlendes Visum von einem Spaziergang über die Brücke. Wir setzen den Stadtrundgang in Richtung Stadtzentrum fort, um einzukaufen und endlich eine SIM-Karte zu besorgen. Wie schon die letzten Tage grüssen auch hier die Leute überaus freundlich, vielleicht etwas weniger häufig mit einem Zunicken und der Hand auf dem Herz als auf dem Land. Aber hier sind auch zahlreiche Touristen anzutreffen. Philipp kauft sich ein Bier im schicken Supermarkt, der mehr Angestellte hat als Kunden. Sogar Wein aus dem Elsass gäbe es zu kaufen. Internet gibt es zwar im Homestay, macht aber keine grosse Freude, da mir dafür die Engelsgeduld fehlt. Es kommt kaum eine Verbindung zustande. Dafür treffen wir andere Reisende. Ein Rumäne, der mit dem Rad von Thailand aus nach Hause fährt und Boris, ein bosnischer Zahnarzt, der dieselbe Route auf dem Programm hat wie wir. Allerdings hat sein sauberes Rad verraten, dass er mit dem Auto direkt aus Duschanbe nach Qali'ai Khumb gereist ist. Da die Karre aber ständig zu heiss hatte, war dies eine zehnstündige «Fahrt» bestehend aus 600 m fahren, halten, Kühlwasser nachfüllen, warten, zwei km fahren, warten und das in gefühlter Endlosschlaufe. Da hatten wir es trotz der ruppigen Strassen und dem steten Auf und Ab definitiv besser! 

Neuer Zuckervorrat

Auch wenn es auf dem Khaburabot-Pass durchaus angenehm war, sind wir nun wieder unten auf 1300 m ü.M. So ist es hier auch wieder deutlich wärmer, weshalb wir wieder früh starten. Nun geht es los entlang des Panj. Häufig haben wir den Eindruck, auf der anderen Flussseite wirkt es organisierter und gepflegter. Die Bewässerungskanäle beginnen mehrfach weit oberhalb des Dorfes und viel Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Auf tadschikischer Seite ist es meist nur direkt um ein Dorf (mit einem Seitenfluss, der in den Panj mündet) grün. Darüber, davor und danach: grau.

 

Um neun fahren wir durch ein Dorf mit einem netten kleinen Restaurant direkt am Fluss. Tee-Pause! Der Herr fragt uns, ob wir Honig möchten. Wollen wir! Cola gibt es nun nicht mehr ständig zu kaufen und Zucker ist hier echt match-entscheidend. Wir einigen uns auf 100 gr. Er bringt uns diese in einem Schälchen. Wir versuchen verständlich zu machen, dass wir den Honig gerne mitnehmen möchten. Er scheint verstanden zu haben, verschwindet wieder, kommt mit Brot. Nochmals versuche ich zu erklären, was wir wollen (bessere Russischkenntnisse wären ECHT nützlich). Er geht rein und streckt uns freudestrahlend eine PET-Flasche voll Honig mit 1 kg... Ich frage nach einer kleineren Flasche. Er kommt mit einer Waage wieder. Ich gebe auf. Statt einer dritten Wasserflasche am Rahmen, habe ich ein Kilo Honig dabei. Beim Verlassen der kühlen Oase hat uns Boris eingeholt. Aber auch er macht eine Pause, wir fahren weiter. Gegen 15 Uhr, rund 30 km weiter, sind wir wieder gleich weit und alle brauchen eine Pause. Wir kaufen erst Getränke in einem Dorf, das Restaurant scheint nicht geöffnet zu sein. Es gibt einen grossen Schatten spendenden Baum, daneben angelegt stufenartige Terrassen mit Tischen und einem kleinen Wasserkanal mit Frischwasser. In russischer Zeit war das hier bestimmt mal sehr nett, inzwischen aber etwas vernachlässigt. Einige Jungs aus dem Dorf organisieren Stühle, setzen sich an einen einbetonierten Metalltisch und spielen Karten. Wir setzen uns auf eine Treppe, wo wir etwa eine Stunde verweilen. Während dieser Zeit machen auch ein Jeep mit zwei Neuseeländern und einem Engländer, sowie ein französischer Fotograf eine Pause. Sein Projekt: Schneeleoparden! Der Platz unter dem Baum fungiert als Parkplatz – in den Autos wird es ja schliesslich auch heiss. Dann halten auch noch weitere Leute an, alle stehen rum – dass die Bewohner dieses Ortes das Potenzial nicht erkennen, während der Touristensaison hier etwas Nettes draus zu machen, ist mir schleierhaft. Einzig ein junger Mann mit einem kleinen Geschäft nebenan ist auf die Idee gekommen, die Getränke in den kleinen Bach zu stellen und direkt am Platz zu verkaufen. Schlau!

 

Boris legt sich in den Schatten, wir fahren weiter. Am Ortsausgang gibt es ein Restaurant, aber da wir eben erst wieder angefangen hatten in die Pedale zu treten, wollen wir noch weiter. Zwei Tourenräder stehen beim Restaurant und wir sehen zwei Radfahrer – wie wir einige Tage später erfahren, zwei (fast) pensionierte aus Dänemark – auf diesen gemütlichen Hochbetten sitzen/liegen. So was hatten wir für unsere Zwischenpause gesucht. Das wäre wahrscheinlich bequemer gewesen! 

Auf der anderen Flussseite ist die Strasse nun nicht mehr durchgehend. Wir sehen auch einen Bagger, der auf einem Wegabschnitt beidseitig durch Steinschlag gefangen ist. Bei starkem Niederschlag will man hier nicht durchfahren. Gemäss Karte hat es auf den nächsten Kilometern zwar keine Ortschaften, aber wir hofften einen Biwak-Platz zu finden, wo ein Seitenfluss in den Panj mündet. Auf den nächsten Kilometern ist die Strasse nun echt mühsam. Auf der einen Seite geht es hoch, auf der anderen Seite steil runter zum rauschenden, braunen Fluss. An besagter Stelle finden wir einen Platz für unser Zelt, aber es ist nicht ganz so optimal. Immerhin scheint das Häuschen schon länger zu stehen und schaut noch unversehrt aus. Wir sind also vor Steinschlag geschützt. Wir schreiben Boris, er solle oben biwakieren oder am besten gleich beim Restaurant/Homestay am Ende des Dorfes bleiben. Es gibt zahlreiche Stromschnellen an dieser Stelle, deshalb hört sich an, als sei man direkt neben einem Wasserfall. Inzwischen ist es schon sechs Uhr, ich bin müde und mag nicht mehr weiter. Zudem sieht es gemäss Karte nicht danach aus, als ob sich die Biwak-Situation in Kürze ändern wird. Wir bleiben. Dafür haben wir einen bequemen Tisch zum Essen und da es auch bald dunkel wird, wird wohl auch nicht mehr jedes vorbeifahrende Auto zur Begrüssung hupen. Trotz des Lärms habe ich wunderbar geschlafen, Philipp weniger, er macht sich Sorgen wegen unseres Gepäcks. Ich habe eher den Eindruck, dass man hier recht sorglos das voll beladene Rad irgendwo abstellen und Stunden später wiederkommen könnte und es wäre noch alles da.

Distanz: 70 km von Qal'ai Khum nach Dara-i Pishkarv Zufluss

rauf: 790 Höhenmeter

runter: 560 Höhenmeter

Temperatur: angenehm

Strasse: weniger angenehm

Highlights: Bewässerung

Strassenbau

Da es nicht ganz so höckig an unserem Plätzchen ist, fahren wir wieder zeitig los. Vor sechs Uhr hat es angenehme 25°. Weiter führt der Weg der Schlucht entlang durch das grosse Tor direkt bei unserem Nachtlager. Nun sind wir im Bezirk des Vanj. Bevor wir den Fluss Vanj schliesslich erreichen, gibt es nochmals eine Passkontrolle. Es warten bereits andere Touristen dort: ein Jeep sowie ein Motorrad mit niederländischem Kennzeichen.

Direkt nach der Brücke hat es ein Restaurant mit einem Schwimmbecken. Aufgrund der Farbe des Wassers stammt es wohl direkt aus dem Vanj. Ein grosser Hund liegt schlafend im Schatten und ignoriert uns, wie schön! Bisher keine negativen Erlebnisse mit den Vierbeinern gehabt. Einige Trucker sind ebenfalls beim Tee, begrüssen uns freundlich und fragen, woher wir kommen. Zum zweiten Zmorgen gibt es Brot mit Ei, Salz und Ketchup sowie Tee. Die Kombination ist überraschend lecker. Danach machen wir uns an den nächsten Aufstieg – zum Glück bei schönster Aussicht auf das Vanj-Tal und bei besten Strassenbedingungen. Philipp kann oben die Aussicht geniessen. Er muss natürlich – wie immer – auf mich eine Weile warten. Trotz weniger Gepäck bin ich langsamer. Bei einem netten Restaurant an einer Quelle legen wir am Nachmittag eine weitere Pause ein. Wir teilen uns eine Wassermelone – nicht die erste auf dieser Reise. Aber die erste, die uns nicht so gut bekommt. Eine Stunde später hat die Wassermelone unseren Körper schon wieder verlassen. Ich fühle mich soweit ok, Philipp spürt immer noch ein Rumoren im Magen.

Die Strasse auf der anderen Flussseite ist inzwischen nicht mehr durchgehend. Da der Fluss sich auf jener Seite sich direkt an die senkrecht aufragende Felswand anschmiegt. Offensichtlich kein Hindernis, um hier entlang einen Weg zu errichten. Dieses Erlebnis gehört auch nach unserer Velotour zu den mit Abstand beeindruckendsten Momenten. Über dem rauschenden Strom arbeiten sich die Männer ohne jegliche Sicherung mit dem Presslufthammer vor. Wir schauen ihnen lange zu, winken. Sie winken zurück und strecken den Daumen hoch. Ob sich jemand das bei Niedrigwasser von der Tadschikischen Seite aus Planungsgründen anschaut? Es gibt mehrere Baustellen, die teilweise nur von oben irgendwie zugänglich sind. Wie lange die schon daran bauen? Wie werden die Bauarbeiter verköstigt? Ein Zelt weist darauf hin, dass sie auch dort übernachten. Wie lange dauern die Schichten? Fragen über Fragen.

Am späten Nachmittag fahren wir durch ein Dorf und finden ein Homestay, wo wir übernachten werden. Wir hören es noch aus der Ferne laut knallen. Nun haben sie offensichtlich gesprengt. Um Konversation zu betreiben, frage ich – unter einem grossen Aprikosenbaum stehend – was Aprikose auf Tadschikisch heisst und wie sie in ihrer lokalen Pamir Sprache dazu sagen (beides natürlich schon längstens wieder vergessen). Der Junge klettert sogleich auf den Baum und holt uns welche runter. Seinen kleinen Bruder schickt er, um die Aprikosen im kalten Quellwasser zu waschen. Ich denke mir: Aprikosen, frisch vom Baum, da kann ja nichts passieren. Sie sind auch sehr, sehr lecker! Frische Früchte – das kam etwas zu kurz in den letzten Tagen. Die ganze Konversation findet im Übrigen auf Englisch statt, der etwa 12-jährige Bub spricht ausgezeichnet Englisch! Zum Znacht bitten wir bloss um Kartoffeln und etwas Salat bestehend aus geschälten Gurken und Tomaten. Beides ist ausgezeichnet. 

Distanz: 56 km von Dara-i Pishkarv Zufluss nach Deh

rauf: 710 Höhenmeter

runter: 560 Höhenmeter

Temperatur: angenehm

Strasse: :-)

Highlights: Strassenbau auf afghanischer Seite

Ohni Pfus ghot nüt!

Nach mehreren Toilettengängen verlassen wir am frühen Morgen das Homestay. Das Essen scheint uns beiden nicht gut bekommen zu sein. Vielleicht ist auch die Wassermelone immer noch der Übeltäter. Später erfahren wir, Melonen werden manchmal mit Wasser aufgespritzt, um sie mit mehr Gewicht und somit teurer verkaufen zu können. Immerhin beginnen die Probleme erst nach dem Aufstehen, so hatten wir wenigstens eine erholsame Nacht. Am Morgen kommen wir auch noch halbwegs vorwärts, am Nachmittag nicht mehr. Wir haben beide wenig Energie, machen mehrfach Pausen. Wir treffen eine Französin, die alleine unterwegs ist und von Bishkek aus heimfährt. Bei einem Sonnencrème-Stopp treffen wir auf zwei Holländer. Die beiden sind seit einigen Jahren im Sommer am Reisen und arbeiten im Winter als Skilehrer. Erstmals andere Velofahrer mit Karbonriemen getroffen. Ich bin nicht sehr gesprächig. Mir geht bald der «Pfuus» aus. Wir erkundigen uns per SMS noch bei Boris, da er uns überraschenderweise noch nicht überholt hat. Das hat er aber offensichtlich heute, aber in einem Auto. Er hat ebenfalls was eingefangen, sich nach Rushan chauffieren lassen und liegt nun dort flach.

Wir beenden am frühen Nachmittag unsere Tagesetappe nach gerade mal 40 km. Ich kriege nichts mehr auf die Reihe. Philipp stellt das Zelt auf, bläst mein Mätteli auf, kocht Nüdeli mit Bouillon und unterhält sich mit Peter. Ein Österreicher, der seit vier Jahren mit dem Rad unterwegs ist und sich für die Nacht zu uns gesellt. Ich versuche etwas zu essen, messe Fieber (38.6°) und gehe schlafen. Heute gerade mal vier Fotos geschossen.

Distanz: 40 km von Deh nach Dehrusahn Biwak

rauf: 530 Höhenmeter

runter: 260 Höhenmeter

Temperatur und Strasse: keine Ahnung mehr, es war anstregend und ich war krank

Highlights: Cola - Nahrungsmittel, Getränk und Medizin in einem, bin sehr gut umsorgt worden

3 in 1

Schlaf war offensichtlich die richtige Medizin. Am Morgen habe ich kein Fieber mehr und fühle mich auch wesentlich besser. Zum Zmorgen gibt es Bouillon mit Hörnli. Wir verabschieden uns von Peter, der in die andere Richtung weiterfährt. Vorerst ist es das Ziel, bis zur nächsten grösseren Ortschaft zu kommen. Wir nehmen es gemütlich und fahren erst nach zehn Uhr los. Der Fluss ist an dieser Stelle fast einen Kilometer breit und wirkt eher wie ein See. Es geht flott voran, so dass wir Vomar/Rushan passieren und weiterfahren. Zuvor treffen wir einen älteren Herrn, der fragt, ob die Berge in der Schweiz denen in Tadschikistan ähnlich sind. Ob sie grün oder braun sind und, ob es im Winter Schnee hat. Wir unterhalten uns kurz und geben ihm eine Postkarte mit auf den Weg.

Die Strasse ist zwar nicht immer top, aber im Grossen und Ganzen besser als während der vergangen Tage. Auf unserer Karte ist manchmal nicht klar ersichtlich, wie stark besiedelt ein Gebiet ist, da kleine Ortschaften nicht eingezeichnet sind. Wir befinden uns im dicht besiedelten Abschnitt des Panj vor Chorog. Überall werden wir freudig von Kindern begrüsst, die zum Abklatschen die Hand rausstrecken. Es reiht sich Ortschaft an Ortschaft und so ist es nicht einfach, einen guten Platz zum biwakieren zu finden. Auf ein Homestay würden wir lieber verzichten, denn wir wollen selber kochen. Vielleicht wäre das auch in einem Homestay möglich. Ich bezweifle aber, dass ich unser Anliegen formulieren könnte, ohne unhöflich zu sein.

 

Wir füllen unseren Cola/Pepsi-Vorrat bei einem kleinen Stand am Strassenrand, der auch Bier im Angebot hätte, auf. Wir bleiben bei Cola, das ist Flüssigkeit, Nahrung und Medizin in einem! 

Distanz: 50 km von Dehrushan Biwak nach Sokhcharv Biwak

rauf: 230 Höhenmeter

runter: 120 Höhenmeter

Temperatur: angenehm

Strasse: gut

Highlights: Schlaf hat gewirkt, es geht weiter

In der Hauptstadt von Berg-Badachschan

In Khorog gibt es eine Universität: The Central Asian University sowie einen gepflegten Stadtpark und einen botanischen Garten. Im Park treffen wir auf die Dame des Hauses. Obwohl sie uns im Hotel schon mehrfach gesehen hat, grüsst sie auch im Park nicht. Die Lage unserer Unterkunft ist gut, die Freundlichkeit lässt zu wünschen übrig. Wir müssen das Zimmer wechseln, da unseres reserviert ist. So räumen wir unsere Siebensachen und dreizehn Taschen zusammen und ziehen in ein anderes Zimmer um.

 

Danach erkunden wir die Stadt, suchen vergeblich das Museum beim Stadtpark und finden nur eine Baugrube am auf der Karte vermerkten Ort. Wir spazieren weiter zum Supermarkt, den wir bei der Einfahrt eingangs Khorog gesehen haben und hoffen, dass dieser sonntags geöffnet ist. Ist er zum Glück auch und das Angebot ist überwältigend: Schweizer Schokolade, Nesquik, Cola, Haferflöckli – vieles, was das Herz begehrt. So decken uns mit Allerlei ein, einzig das verschrumpelte Gemüse sieht so unappetitlich aus, dass wir nur einige Zwiebeln kaufen. 

Botanischer Garten

Ich verbringe den zweiten Ruhetag drinnen mit Arbeiten, wieder in einem neuen Zimmer, mussten nochmals umziehen, da ein Stammgast nun dieses Zimmer reserviert hat. Unser Verständnis hält sich in Grenzen.

Philipp sucht den Botanischen Garten auf. Die rund 20-jährige an der Rezeption war offensichtlich noch nie dort. Sie erklärt Philipp auf jener Seite gäbe es keine Brücke und er müsse anders laufen. Ihre Erläuterungen stellen sich als falsch raus. Gemäss unserem Reiseführer ist das der höchst gelegene Botanische Garten der Welt. Gepflegt werden offensichtlich nur einige Bereiche. Auch dort gäbe es irgendwo ein Museum. Philipp findet es nicht.

Abends gehen wir nochmals zum Inder: das beste Restaurant in der Stadt, auch dieses wurde uns von mehreren Leuten empfohlen. Dort scheinen sich alle Ausländer zu treffen und so sitzen auch bald die beiden Dänen am Nebentisch. Sie werden morgen weiter der M41 folgen, während wir die Route in Richtung Wakhan nehmen werden. Das Essen ist wieder ausgezeichnet! Ich ahne, wie sehr ich dieses bald vermissen werde.

Lal

Wir brechen wieder frühzeitig auf. Den Zmorgen bekommen wir sogar in einer Box mit auf den Weg. Rabatt erhalten wir für das zweimalige Zimmerwechseln nicht. Einige Kilometer ausserhalb fahren wir an der Mülldeponie vorbei. Notdürftig abgesperrt mit Platten, wenigstens landet der Müll nicht im Fluss. An einem sonnigen Plätzchen rasten wir und kramen unsere Lunchbox mit Joghurt, Brot und Eiern hervor. Gefrühstückt wird auf dem warmen Felsen mit Blick auf Afghanistan. Die Strasse ist mehrheitlich nicht asphaltiert und in eher schlechtem Zustand. Bei einer kurzen Pause am Schatten braust ein Jeep mit einem aufgeladenen Tourenrad vorbei. Es sieht verdächtig nach dem Rad von Boris aus. Aber es geht zu schnell, wir können nicht erkennen, wer drinsitzt.

Bei der Abzweigung nach Garmchashma erstehen wir Cola und Fanta. Was für ein Genuss! Wir lassen die heissen Quellen links liegen. Es wäre sicher schön, aber mehrere hundert Höhenmeter hoch und am nächsten Tag wieder runter, macht keinen Sinn. Wir wollen weiter. Wir fahren beim Dorf Kukh-i-Lal vorbei, oben gäbe es Minen, wo der rote Lal abgebaut wird/wurde. Mit einem Auto würde man da nun kurz hochdüsen, mit dem Velo würde so ein Schlenker wieder einiges an Zeit und Schweiss kosten. Also lassen wir auch das bleiben. Ein Junge wirft einen kleineren Stein (wohl eher keinen Lal) nach mir, verfehlt mich und sprintet nach meiner und Philipps Schimpftirade davon. Eine Ausnahme - generell sind die Kinder herzlich und begrüssen uns fröhlich.

 

Im Dörfchen Sist führt uns ein Junge in das Geschäft seiner Mutter. Es gibt Tee und wir können Gurken, Fanta und Cola kaufen und beim Brunnen unsere Wasservorräte auffrischen. Der Bub begleitet uns auf seinem Mountainbike noch einige Kilometer. Wir treffen auf einen Engländer aus Norwich, der aus der Gegenrichtung kommt und schon älteren Jahrgangs ist. Gegen Ende des Tages beginnt sich das Tal zu weiten. Wir finden einen Biwak-Platz direkt am Fluss an einer seichten Stelle. Eine kleine Mauer und Büsche versperren die Sicht auf die Strasse. Doch es dauert nicht lange, da hüpfen zwei Männer über die Mauer und laden uns zu sich heim ein. Wir lehnen höflich dankend ab und erklären, dass unser Haus schon steht. Wir wollen nur rasch was kochen, essen und in die Schlafsäcke kriechen. Die beiden springen doch tatsächlich noch in den eisigen Fluss und machen einige Schwimmzüge. Wir schaffen es nur bis zu den Waden ins trübe Wasser. Lachend und winkend verabschieden sie sich.

Hindukusch!

Auch heute geht es holprig weiter. Der Talboden wird zusehends breiter und endlich tauchen sie in der Ferne auf, die Schneeberge, die 7000er des Hindukusch. Welch fantastischer Ausblick auf den Noshaq und den Tirich Mir. In der Ebene sind die Strassen besser, es geht vorbei an saftigen Wiesen, wo Esel, Kühe, Schafe und Ziegen weiden. Ein Mädchen hütet am Strassenrand sitzend eine Herde. Ihre Augen sind auf einem Tablett gerichtet. Was sie wohl macht? Lesen, spielen, lernen?

 

Vor Ishkoshim taucht überraschend ein kleines Hotel auf, das auf unserer Karte nicht verzeichnet ist. Auch die Ortschaft fehlt. Stimmen und Lachen dringen aus dem Garten. Wir nutzen diese willkommene Oase für eine Mittagspause, ziehen unsere Schuhe aus und lassen uns auf dem mit Teppichen ausgelegten Tapchan nieder. Wir bekommen Tee und es gibt Joghurt mit 15% Fett zu kaufen, das wir noch mit unserem Honig versüssen. Festmahl! In Ishkoshim führt wieder eine Brücke nach Afghanistan. Wir blicken hinüber und knipsen ein Foto. Samstags soll es einen Markt auf der Brücke geben, an welchem von beiden Seiten des Flusses Güter verkauft werden. So lange wollen wir nicht warten und schwingen uns wieder auf den Sattel und fahren in das kleine Städtchen, wo es sogar eine Ampel gibt. Brav halten wir an, als sie rot zeigt. Da es auch zwei Banken gibt, wollen wir Geld wechseln. Dabei scheitere ich aber kläglich. Es ist kurz nach vier Uhr, die Tür ist offen und es sitzt jemand am Schalter. Die Dame erklärt mir – meine ich jedenfalls zu verstehen – dass die Bank geschlossen ist und schickt mir zur nächsten Bank. Auch dort werde ich am Schalter abgewiesen, weil die Bank geschlossen ist. Beim Verlassen des Dorfes treffen wir auf zwei ältere Herren, der eine schenkt uns frisch geerntete Aprikosen, worauf der andere wegrennt und mit Äpfeln wiederkommt.

 

Wir finden einen Platz für unser Zelt anfangs eines Dorfes. Als wir es schon aufgestellt haben, kommen zwei Jungs und laden uns zu sich heim ein. Als wir das dankend ablehnen – auch heute steht das Zelt schon wieder – kommen sie mit Brot und Züggerli wieder. Diese herzliche Gastfreundschaft hier ist toll, revanchieren können wir uns lediglich mit unseren Postkarten mit Impressionen aus der Schweiz, die wir im Gepäck haben.

Lehmziegelmauern

Wir sind früh auf den Beiden, essen Zmorgen und packen zusammen. Der Bub von gestern kommt mit seinem Vater vorbei. Die beiden wollen erneut wissen, weshalb wir nicht bei Ihnen übernachtet haben. Ich versuche zu erklären, und lobe mit meinen arg beschränkten Fähigkeiten im Russischen die guten Englischkenntnisse des Sohnes. Der Vater strahlt bis über beide Ohren. Er kramt einen Quarz und einen Bohrkern hervor und fragt, ob diese wertvoll sind. Wir müssen ihn enttäuschen. Die beiden verschwinden um kurz darauf mit einem Hut voller frisch gepflückter Aprikosen wiederzukommen. Dankbar nehmen wir diese feinen Leckerbissen an.

 

Kurz nach Abfahrt machen wir schon Pause und zwar beim ersten historischen Highlight: Festung Qahka bei der Ortschaft Namadgut-i Poyon. Die Festung geht zurück auf das Kuschana-Reich (Datierung wohl schwierig, ca. 1-3. Jh. n. Chr.). Philipp bleibt erst bei den Velos und ich erklimme den Hügel, schiesse zahlreiche Fotos mit meinen beiden Kameras. Vom höchsten Punkt hat man einen herrlichen Rundblick über das Tal und auf die rund 600 x 200 m grosse Festungsanlage. Bald darauf kommen weitere Touris. Die dürfen aber nicht mehr ganz rauf. Offensichtlich hat die Festung auch heute noch eine militärische Funktion, die Anlage ist aber nicht als Militärgelände ausgewiesen. Die gut getarnten Posten sind mir nicht aufgefallen. Alle müssen ihre Fotos zeigen, ich weise eine Kamera vor, die Bilder werden kurz durchgeschaut und darf passieren. Unten ist inzwischen der Verkaufsstand geöffnet mit Handarbeiten aus der Region. Wäre ich nicht schon so beladen, hätte ich etwas gekauft.

 

In Shitkarv können wir unsere Vorräte in einem grossen Geschäft auffüllen: neben DVD-Raubkopien gibt es Cola, Fanta und Bier. Ein älterer Herr hat sich etwas gar nah neben mich gesetzt und gefragt, ob er auch etwas Fanta dürfe. Ich reichte ihm die Flasche. Er hatte zweimal versucht, seine Hand auf mein Bein zu legen. Beim ersten Mal habe ich diese bestimmt weggeschoben und bin weiter weggerückt. Beim zweiten Mal aufgestanden und zu meinem Velo gegangen. Wenig später kamen zwei Polen, beide auch mit dem Velo unterwegs. Die beiden sind in die gleiche Richtung unterwegs, haben aber bereits eine anspruchsvolle Strecke hinter sich: Osh – Bartang – Khorog – Wakhan – und wieder Osh ist das Ziel. Sie hat Bauchweh, konnte die letzten Tage kaum was essen, ihre Kräfte neigen sich dem Ende entgegen. Ich übergebe ihr meine letzten drei Traubenzucker, die sie dankbar annimmt. Wir wollen kurz nach Shitkarv biwakieren, müssen aber einsehen, dass dort, wo es Orte auf der Karte hat, es durchaus noch einige wenige Biwakmöglichkeiten gibt. Die leeren Flecken zwischen den wenigen Dörfern bedeuten, dass es eben keine Möglichkeiten zum Biwakieren gibt. Die riesig breiten Flussfächer sind beeindruckend, die Landschaft atemberaubend schön. Dort, wo es halbwegs geeignet ist zum Wohnen, hat es Dörfer, die Gegend zwischen den Schwemmfächern sind menschenleer. Der Himmel verdunkelt sich. Die Strasse wird anspruchsvoll. Der Rückenwind dafür immer stärker. Ein Baustellen-Schild weist darauf hin, dass der nächste Abschnitt im Umbau ist. Nun hat es auch noch grosse, lose Steine. Anstrengend. Nachdem wir diesen Abschnitt gemeistert haben, machen wir kurz Halt, um die Aussicht zu geniessen. Zu Fuss kämpfe ich mich seitlich zum Wind zu einem Aussichtspunkt vor. Auch das ist eine Herausforderung. Die Aussicht ist toll, aber ein Zelt hier irgendwo aufzustellen, undenkbar. Endlich gelangen wir in ein weiteres Dorf. Wir fahren an einem Schrein, bestehend aus einer Einlassung in der Wand mit einem Steinbock-Geweih drin, entlang, als gerade eine Frau vorbeischreitet. Sie verneigt sich kurz davor. Zwischen einer Weide und einem Feld finden wir einen halbwegs geschützten Platz. Der Wind ist hier nicht mehr so stark, so dass sich die Stechmücken fröhlich tummeln können. Die Päcklisaucen bewähren sich sehr. Ein Mann schaut kurz vorbei und fragt ob alles in Ordnung ist. Ja, ist es – zum Znacht gibt es Nüdeli mit Rahmsauce!

Frisch und heiss gebadet

Das erklärte Ziel heute ist Bibi Fatima, rund 400 m oberhalb des Talbodens. Die Strecke bis zum Ort ist nicht mehr so weit, da wir tags zuvor weitergefahren sind, als geplant. Bibi Fatima ist ein Dorf mit heissen Quellen und der Festung Yamchun, deren Spuren bis in die hellenistische Zeit zurückgehen. Wir begegnen Leuten und hören mehrfach, dass wir unten dann ein Taxi nehmen müssen, da die Strasse viel zu steil sei. Ganz unrecht sollten die Leute nicht behalten, sogar Philipp musste zu Beginn einen kurzen Abschnitt seinen schwer beladenen Stahlesel stossen. Den Aufstieg finde ich durchaus etwas qualvoll, aber je höher wir gelangen, umso mehr werden wir mit der tollen Aussicht belohnt. Oben angelangt, entscheiden wir uns in einem Homestay, kurz vor der Festung zwei Nächte zu bleiben. Dort wo die heissen Quellen sind, wurde uns zwar ein Hotel vom Österreicher Peter empfohlen, aber von dort hätten wir keinen Blick ins ganze Tal. Gleich bei der Ankunft versuch ich verständlich zu machen, dass etwas Kartoffeln oder Reis für uns reichen, wir essen kein Fleisch. Danach machen wir uns zu Fuss, mit Badesachen und Handtuch zu den heissen Quellen auf. Auf dem rund 20-minütigen Fussmarsch werden wir von Jeeps überholt. Hier sind wir nicht die einzigen Touristen. Dort angekommen, wird Philipp der Weg zur Männerumkleide und zum Männerbad gewiesen, ich kann ins Frauenbad. Kaum ist die Tür geöffnet, schlägt einem Dampf entgegen. Ich ziehe mich aus und schiele zum Baderaum, um rauszufinden, wie man hier badet. Die Teenies behalten ihre Unterhosen an, die älteren Frauen sind nackt. Von der Schwedin bekomme ich etwas Shampoo und setze mich ins 40° heisse Wasser. Angenehm und nach mehreren Fahrtagen und Biwak Nächten wohl auch notwendig. Als wir Heimkommen hat es ein Schaf weniger. Unsere Befürchtungen werden aber nicht bestätigt, uns werden im mit Matratzen und Teppichen ausgelegten Zimmer feine, gebratene Kartoffeln aufgetischt.

Lieblingsort

Wir wollen den Sonnenaufgang sehen – also heisst es auch am Ruhetag früh aus dem Schlafsack zu schlüpfen. Der Ausblick ist trotz des Dunstes top! Um halb zehn gibt es Zmorgen, Griessbrei – Festessen! Nach dem Wäschewaschen mache ich mich an die Arbeit und Philipp begibt sich zu seinem Burgsitz, wo er den ganzen Tag die Aussicht geniessen und Tagebuch schreiben wird. Ich geselle mich am späten Nachmittag auch noch hinzu. Oben treffen wir nochmals die Polen, die mit einem Auto hochfuhren. Sie fühlen sich besser. Abends gilt es wieder unsere sechs Taschen zu packen, um morgen gleich startklar zu sein.

It's getting worse

Die 400 Höhenmeter dürfen wir nun in der Gegenrichtung bezwingen. Es geht definitiv leichter als rauf, aber runterbrausen geht dann doch nicht. Im übernächsten Dorf gibt es schon den nächsten kulturellen Zwischenstopp. Das örtliche Museum in einem richtigen Pamirhaus, wo Alltagsgegenstände der Region und Schriften des Dichters und Astronomen Muborak Wakhoni (1842-1902) ausgestellt werden, wollen wir besichtigen. Wieder rollend unterwegs, kommen uns Tourenfahrer entgegen, die erste fährt nicht grüssend an uns vorbei und ruft nur «it’s getting worse», etwas weiter hinten folgen ihr vier weitere Leute, einer mit einem Thömus Veloshop-Shirt. Also auch Berner. Wir halten für einen kurzen Schwatz.

Holprig geht es weiter bis nach Vrang, wo Philipp einen Abstecher zur buddhistischen Stupa macht, während ich bei den Velos bleibe. Drei Franzosen aus der Gegenrichtung kommend machen einen Zwischenstopp bei mir. Die Bernerin sollte recht behalten, die Strasse wurde wirklich nicht besser.

Wir biwakieren am Fluss vor einem Dorf. Ich radle kurz ins Dorf, um nach einem Laden Ausschau zu halten. Die ersten Meter sieht es aus, als ob ich das erste Mal auf einem Velo sitze. Kein Gepäck vs. Gepäck ist tatsächlich nicht ohne. Kaum das Zelt aufgestellt, radeln die drei Lausanner mit den Liegevelos vorbei. Sie sind inzwischen in Begleitung von zwei Franzosen. Die fünf fahren weiter. Wenig später gesellen sich zwei Italiener der Mongol Rally zu uns. Sie sind in Begleitung eines weiteren Italieners auf dem Töff. Die Rally startet in London oder in Prag, das Ziel ist Ulan-Ude (zuvor war es Ulan Bator, deshalb der Name). Die Route ist nicht vorgegeben, die Teams müssen Geld für eine Wohltätigkeitsorganisation sammeln und der Motor darf nicht sonderlich leistungsfähig sein. Bisher sind diese Teilnehmer nur an uns vorbei gebraust, erstmals machen wir Bekanntschaft mit einem Team.

Magasin gesucht

In Langar suchen wir erst vergeblich ein Geschäft und kehren nochmals um, um die letzte Einkaufsmöglichkeit für die nächsten Tage auch nutzen zu können. Ein zehnjähriges Mädchen, Sabrina, führt mich zum Laden ihrer Tante. An die Metalltüre war in etwa 3 cm hohen Buchstaben «Magasin» eingeritzt. Ich decke uns mit China-Nüdeli, Cola, Keksen und Fanta ein, danach geht es bergauf. Zwei Mädchen fragen mich, ob sie mir beim Schieben helfen sollen. Ich lehne ab – habe keine Münzen griffbereit und das Geld ist bereits verstaut. Der erste Abschnitt ist wirklich steil, scheint eine willkommene Einkommensquelle zu sein. Zwei Jungs weiter oben sind hartnäckiger. Philipp ist sie mit Zückerli losgeworden.

 

Auf den Feldern wird Getreide und Grad geschnitten, mit einer Sichel, von Hand und zu Garben gebündelt. Während dieser Jahreszeit ist das offensichtlich die arbeitsintensivste Tätigkeit. Während wir bergauf keuchen, begegnen uns mehrere mit Gras schwerst beladene Esel. Uns sind zwei Polen mit dem Velo begegnet. Sie haben sich in China zwei Velos gekauft, ihre Trekkingrucksäcke aufgeladen und sind nun rollend durch den Pamir unterwegs. Die Strasse ist bis auf eine Höhe von 3500 Metern überraschend gut. Ab dann habe ich etwas Mühe mit Atmen und ständig den Eindruck, ich bekomme zu wenig Luft. Die Passhöhe liegt aber erst auf 4344 m. Wie das wohl noch wird?

 

Wir schleppen viel Wasser mit, da Boris von einem anderen Velofahrer gesagt wurde, es hätte nach Langar nur noch einen Bach, dann nichts mehr. Dem ist überhaupt nicht so. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Wasserflaschen aufzufüllen. Teils mit klarstem, eiskalten Gletscherwasser, das von den Berghängen runterstürzt. Wir finden einen Platz zum biwakieren, der halbwegs windgeschützt ist und eine tolle Aussicht auf den Hindukusch gewährt. Es gibt Minestrone mit Hörnli aus der Migros. Bei herrlichem Abendlicht kriechen wir ins Zelt.

Laute Begrüssung

Noch im Halbdunkeln von einem Hupen geweckt! Da meint doch tatsächlich der wahrscheinlich einzige vorbeifahrende Autofahrer uns morgens um halb fünf mit Hupen begrüssen zu müssen. Meine Begeisterung ob dieser Freundlichkeit hält sich in Grenzen. Eine knappe Stunde später stehen wir auf, packen unsere sieben Sachen und Taschen zusammen und fahren los, weiter bergauf der Passhöhe entgegen. Die Strasse führt wieder bergab zum Fluss runter. Uns begegnen vier Jeeps mit pensionierten Franzosen.

 

Auf der anderen Flussseite, nun fahren wir entlang des Flusses Pamir, immer noch der afghanischen Grenze entlang, sehen wir baktrische Kamele weiden. Bald erblicken wir auch auf unserer Seite eine Herde. Uns kommen viele Töfffahrer entgegen. Philipp hilft noch einem, seine Maschine wieder aufzustellen. Er ist gestürzt und das Ding offensichtlich echt schwer. Diese Probleme haben wir wenigstens nicht. Die Strasse wird anspruchsvoller, aber immerhin ist die Steigung im Gegensatz zum Vortag geringer. Dann biegt die Strasse nach Norden ab. Nach zwei Wochen entlang des tadschikisch-afghanischen Grenzflusses, verabschieden wir uns von Afghanistan.

 

Wir begegnen einem Bike-Packer aus Südkorea, der mit einem Fatbike und ganz wenig Gepäck am Rahmen und einem Rucksack unterwegs ist. Er fährt die Strecke Osh-Dushanbe allein. Wenig später hält ein Jeep neben uns, der eine Romand und ein Franzose sitzen drin. Das eine Liegerad (Alu) muss geschweisst werden. Sie hoffen, dies in Murghab erledigen zu können.

 

Bald werden wir den Checkpoint am Kargush-Pass erreichen, über diesen gibt es einige wenig vorteilhafte Berichte von Soldaten, die Geld/Gegenstände verlangen, um passieren zu dürfen. Zuvor gibt es aber nochmals einige Höhenmeter zu bewältigen, auf einem Abschnitt sogar auf Kopfsteinpflaster!! Für mich unfahrbar, zu steil und zu holprig. Philipp hat oben eine Guetzlipause angekündigt, mein Lichtblick, aber oben, kein Philipp nur eine Sand-Kies-Piste mit Wellblech. Also kämpfe ich mich weiter, zehn Meter stossend, wenige Meter fahrend, bis das Hinterrad ausbricht und ich nicht mehr die Kraft habe, um in Schwung zu kommen, also wieder einige Meter stossend. Und das auf einer Länge von rund 4 km. Immerhin musste ich die Strecke nicht ganz alleine bewältigen. Ich wurde von kleinen Mücken begleitet, die ständig um meine Kopf schwirrten. Zwischendurch habe ich wieder versucht, neben der Strasse zu fahren, dort war der Untergrund in einzelnen Abschnitten besser, insgesamt aber auch nervig. Auf halber Strecke wartet Philipp. Er wollte den mühsamen Abschnitt erst noch bewältigen, aber irgendwann hat man in der Ferne den Checkpoint erblickt und konnte sich ausrechnen, dass dieser Abschnitt so bald noch nicht zu Ende sein wird. Immerhin habe ich heute keinerlei Probleme mit Atmen und das obwohl wir bald auf 4000 m ü. M. sein werden. So hoch war ich noch nie!

 

Beim Checkpoint wartet bereits ein Jeep mit zwei Italienern an Board. Es ist schon Nachmittag, die wollen heute aber noch bis Iskhosim fahren. Es läuft alles absolut problemfrei und freundlich. Der Soldat erkundigt sich nur nach Zigaretten, damit hätten wir ihm eine Freude bereiten können, haben wir aber nicht im Gepäck. Ich frage ob er Kinder hat, er verneint. Wir fahren weiter und kommen an einigen Lehmhütten vorbei. Es springen Kinder herbei, ich verschenke Farbstifte, hier sind sie am richtigen Ort!

 

Weiter oben finden wir einen guten Platz für unser Zelt. Wir biwakieren auf 4000 m ü. M. Die Zündhözli wollen sich kaum anzünden lassen, Feuchtigkeit kann nicht das Problem sein, die Höhe??

Gefrorenes Wasser

Morgens ist es 3° C frisch im Zelt, am Velo haben wir eine Wasserflasche vergessen, das Wasser war gefroren. So warten wir im warmen Schlafsack die ersten Sonnenstrahlen ab. Danach wird es rasch wärmer. Nach einigem Ausprobieren schafft es Philipp wieder, den Gaskocher anzuzünden. Bis zur Passhöhe sind noch gut 250 Höhenmeter zu bewältigen, zum Glück auf passabler Strasse. Beim Aufstieg treffen wir auf zwei Münchner, die etwas weiter unten übernachtet hatten. Die beiden 20 Jahre jüngeren sind etwas schneller unterwegs als wir. Sie haben es in elf Fahrtagen von Duschanbe hierhergeschafft, wir (ich) brauchten deren 17. Auf Passhöhe lassen wir die beiden ziehen. Wir sehen mehrere Murmeltiere, etwas rötlicher als unsere und meist sehr gut genährt.

 

Beim Runterfahren überqueren wir einen Bach, wo wir unsere Wasservorräte aufstocken können. Die Strasse ist streckenweise ganz gut, abschnittsweise etwas sandig-mühsam. Der Wind kommt von allen Seiten – ausser von hinten. Kurz bevor wir die M41 wieder erreichen, werden wir von zwei Ostdeutschen mit Mini-Rucksack auf Mountainbikes mit Begleitfahrzeug überholt. Wir freuen uns auf die geteerte Strasse, welch Unterschied! Der Genuss ist von kurzer Dauer, denn wir wollen einen Abstecher nach Bulunkul machen, dem kältesten Ort in Mittelasien. So verlassen wir nach zwei Kilometern bereits wieder die seidene Strasse und begeben uns wieder auf sehr holprige Pfade. Die 16 km nach Bulunkul erreichen wir zwei anstrengende Stunden später. Krasser Gegenwind und das ständige Suchen nach der besten Fahrspur braucht Zeit. Vielerorts auf der Strecke ist das Wellblech so ausgeprägt, dass auch die Autos auf Nebenspuren ausweichen. Es gibt also mehrere halbwegs parallel verlaufende Strassen nach Bulunkul. Wir freuen uns auf einen windgeschützten Ort und schlafen nach reichhaltigem Znacht zufrieden ein. Zuvor unterhalten wir uns noch kurz mit unserer neuen Zimmergenossin Maria, aus Russland.

Volleyballfeld

Kein Ruhetag, aber heute sind wir mal zu Fuss unterwegs. Nach dem ausgiebigen Frühstück bestehend aus drei Spiegeleiern, Brot, Butter, Joghurt, Sauerkirsch-Konfitüre und einer grossen Auswahl verschiedenster Züggerli spazieren wir zum Pass hoch, von wo wir einen herrlichen Blick auf den Yashikul-See haben.

 

Von dort aus laufen wir auf zwei Hügelchen hoch, die wir als Bulunkul 1 und Bulunkul 2 bezeichnen und schon habe ich meinen ersten 4000er-Gipfel erklommen! Die Farbe braun dominiert die Szenerie, aber braun ist nicht gleich braun. Es gibt ocker, rotbraun, beige, goldbraun, hellbraun, dunkelbraun und das saftige Grün der Wiesen- und Sumpflandschaft, verschiedene Blautöne des Himmels und der beiden Seen und in der Ferne das Weiss der Schneeberge.

 

 

Wir haben den Eindruck, mitten im Nirgendwo angekommen zu sein. Auf dem Rückweg treffen wir auf Maria, auch sie hat einen Spaziergang gemacht. Frauen und Kinder sind am Fluss mit Waschen beschäftigt. Ein Ofen heizt Wasser auf, dann wird geschruppt und schliesslich die Kleidung zum Trocknen auf der Wiese ausgelegt. Anschliessend gehen wir shoppen. Der Dorfladen hat ein reichhaltiges Angebot und die junge Verkäuferin hat dank der Touristen gar eine Worte Deutsch gelernt. Wir decken uns mit Wasserflaschen, Guetzli, Süssigkeiten, Gurken, Zwiebeln und Knoblauch ein. Danach machen wir einen Dorfspaziergang, bewundern die Wasserpumpte und bestaunen das Volleyballfeld. Wie man bei diesem giftigen Wind Volleyball spielen kann, ist mir schleierhaft. Bulunkul ist eingebettet in landschaftliche Highlights. Wir wollen aber dennoch morgen weiterziehen und Neues entdecken.

Mondlandschaft

Heute gibt es nochmals einige Kilometer auf Schotterpisten zu meistern. Der Rückenwind sollte uns dieses mal aber unterstützen! Vorbei geht es am See Bulunkul, wo auch gefischt wird. Bei einem einsamen Lehmhäuschen verschenke ich nochmals Farbstifte. Diese Familie kann wohl kaum vom aufkeimenden Tourismus profitieren.

Bald gelangen wir an den Fluss Alichur, wo wir Yaks weiden sehen. Unweit einer Jurte gibt es sogar ein Hinweisschild auf einen Geysir. Gespuckt hat er leider nicht, aber der gelb-weisslich verfärbte Boden verrät die Lage.

Der Pfad führt durch eine mondartige Hügellandschaft, die nach einiger Zeit, etwas zermürbend wird. Kaum hat man den vermeintlich letzten Hügel am Horizont erreicht, sieht es dahinter aus wie zuvor. Einzig die Salzseen sind eine willkommene Abwechslung im Landschaftsbild. Aus der Ferne sehen wir drei Leute mit Trekking-Rucksäcken durch die Landschaft spazieren, dann also schon lieber mit dem Velo, da kommt man wenigstens vorwärts!

In Alichur sind am Strassenrand mehrere Tonnen aufgestellt, die als Abfalleimer dienen! Wir können einkaufen und fahren noch einige Kilometer, bevor wir einen Biwakplatz suchen. Dieses breite Hochtal mit den sanften Hügeln ist herrlich!