Mit relativ leichtem Gepäck besteigen wir morgens um sechs in Bern den Zug in Richtung Zürich. Das Zelt lassen wir daheim und somit auch Schlafsack, Mätteli und Kochzeugs. Das spart Gewicht und Volumen. Ansonsten haben wir die übliche Ausrüstung dabei mit Ausnahme der kurzen Hosen. Diese bleiben daheim. Die Durchschnittstemperatur auf den Färöer im Juni beträgt nämlich 7–11°C. Dafür soll es nur an rund 11 Tagen im Monat regnen.
Der Flug von Kopenhagen aus nach Nordwesten ist schön, die Sonne wärmt am Fenster gar so sehr, dass ich meinen Pulli ausziehe. Das sollten für die nächsten Tage aber fast die letzten Sonnenstrahlen sein. Beim Landeanflug auf Vagur beginnt es zu regnen. Unsere Veloschachteln werden zuoberst auf den ersten Gepäckwagen gepackt, der Regen prasselt darauf nieder. Hoffentlich stehen die nicht allzu lange im Regen, da drin wollen wir unsere Velos wieder heimtransportieren. Mit Seesack und Veloschachtel auf dem Trolly zirkeln wir aus dem Flughafengebäude und hieven das Material in ein grosses Taxi, das uns zur nur zwei Kilometer entfernten Unterkunft bringt. Der Vermieter ist nicht da, die Tür ist aber nicht abgesperrt und wir können rein. Wie wir in den nächsten Tagen bemerken, schliesst hier kaum jemand irgendwas ab.
Nach dem Auspacken und Velo Zusammenbauen erkunden wir Sørvágur. Farbig gestrichene Häuser, ein Kindergarten, eine Schule, ein Missionshaus, eine Kirche, ein wegen Auffahrt geschlossener kleiner Supermarkt, eine ebenfalls verlassene Tankstelle und einen Hafen gibt’s zu bestaunen. Von dort fahren die Boote zur Insel Mykines, die wir am letzten Tag besuchen wollen. Vor dem Hafen gibt es ein mit einem Netz überspanntes rundes Gebilde mit etwa 80 m Durchmesser, worin grosse Lachse aus dem Wasser springen. Wie wir später von unserem Gastgeber erfahren, sind die Lachse bis sie rund 800 Gramm wiegen in grossen Tanks, dann erst kommen sie ins Meer, wo sie heranwachsen bis sie 3–4 kg schwer sind. Das Kaffee im Dorf hat leider ebenfalls geschlossen, so gibt es zum Znacht die mitgebrachte Gerstensuppe aus dem Päckli und Brot.
Die Insel Vagar ist mit der östlich liegenden Insel Streymoy seit 2002 durch einen Unterseetunnel verbunden. Dieser ist zwar zweispurig, gut beleuchtet und belüftet, aber es geht halt recht runter und danach auch wieder ziemlich rauf (tiefster Punkt -105 Meter) und hat zudem viel Verkehr. Die Unterseetunnel wollen wir nicht mit dem Velo befahren, auch wenn es nicht explizit verboten wäre. Also besteigen wir morgens um neun mit Sack und Pack beim Missionshaus in Sørvágur den Bus und lassen uns bis nach dem Tunnel, der nur mit Spritzbeton ausgekleidet ist, chauffieren. Erst in Leynar schwingen wir uns auf den Sattel und fahren nach Vestmanna, unserem nächsten Zwischenstopp für zwei Nächte. Nach nur wenigen Metern sehen wir auf der anderen Seite des Baches Felder mit rechteckigen, dicht an dicht liegenden Erdschollen. Wir rätseln was deren Verwendungszweck ist und lassen diese ahnungslos hinter uns. Wie wir von unserem nächsten Gastgeber, einem jungen ehemaligen Fischer, der ins Tourismus-Business eingestiegen ist, erfahren, handelt es sich hierbei um Kartoffelfelder für den Eigenbedarf. Die Erde wird abgestochen, Kartoffeln gepflanzt, gedüngt und wegen der Kälte umgekehrt wieder auf den Boden gelegt. Ansonsten keimen die Kartoffeln nicht. Die Strasse steigt kontinuierlich an, bald erblicken wir auch Schnee auf den rund 600–700 Meter hohen Gipfeln. Eine kurze Abfahrt führt zum kleinen Ort Vestmanna runter. Mehrere runde Aquakulturen für Zuchtlachs liegen im Hafenbecken, Lachs ist das Hauptexportgut von den Inseln. Weit über 90% der Warenexporte sind Fisch und Fischereiprodukte.
Den Reaktionen der Schafe nach zu urteilen, sind auf dieser Strecke nicht besonders häufig Velofahrer unterwegs.
Da wir früh dran sind und der Wetterbericht für den morgigen Tag regnerisch und stürmisch ist, wollen wir nachmittags um vier den Ausflug zu den Vestmannabjørgini, den Vogelfelsen vor der Küste, machen. Während die Touristenboote am Mittag und frühen Nachmittag ausgebucht sind, müssen wir hoffen, dass sich noch genügend Touristen für die vier Uhr Fahrt einfinden. Das ist der Fall und wir müssen auch nicht dicht an dicht sitzen, sondern haben auf dem kleinen Boot auch noch Bewegungsfreiheit. Auf dem Weg aus dem Fjord können wir bereits Papageientaucher aus der Ferne bestaunen. Es folgen diverse Möwen, Eissturmvögel, Trottellumme und Wellenläufer. Den Basstölpel habe ich leider verpasst. Wir erhalten Helme und der Kapitän manövriert in enge Grotten rein und wieder raus. Wie auch der Anflug ist wohl auch das Manövrieren entlang der Küste hier nichts für Anfänger. An den mehrere Hundert Meter hohen Kliffs nisten diverse Vögel. Leider schwankt es sehr (nur in den Grotten liegt das Boot halwegs still auf dem Wasser, aber da bin ich mit Schauen beschäftigt), es hat wenig Licht und der Himmel ist grau in grau – keine guten Fotobedingungen.
Kein Velowetter, dafür dynamisches Fotowetter! Erst müssen wir uns den gleichen Weg zurück zum Ende des Tunnels bei Leynar kämpfen. Von dort aus führt ein Wanderweg quer über die Insel auf die andere Seite der Bucht. Die Strasse fährt rundherum. Den kurzen Leynartunnel können wir auf der alten teils schon moosbewachsenen Strasse umfahren und sehen am Ufer des kleinen Sees endlich einen luftdurchlässigen Holzschuppen, der zum Trocknen von Fleisch und Fisch dient. Die traditionellen Häuser sind aus Holz und sitzen auf einem Steinsockel auf, auffallend ist das Grasdach. Birkenrinde deckt die umlaufenden Latten ab. Die Holzkirche in Kollafjørður stammt aus dem Jahr 1837. Es ist zwar Sonntag, aber sie ist abgesperrt. Die vielen Autos und Cars überholen uns fast ausschliesslich in gebührendem Abstand und uns kommen auf der rund 40 km langen Strecke insgesamt gar drei Rennvelofahrer entgegen.
Bei Við Áir fahren wir an einer der einstigen Walfangstationen vorbei, das ist die letzte der sieben auf den Färöern, die noch steht. 1905 erbaut und von einer norwegischen und später färöischen Firma betrieben. Weltweit gab es über 200 davon, heute existieren noch deren drei (Australien und Georgien). Die Station soll in ein Museum umgebaut werden.
Erst in Oyarbakki, kurz vor unserem Tagesziel, finden wir eine geöffnete Tankstelle mit einem Shop. Bei Nieselregen gibt’s ein Käsesandwich und ein Glace. Nach dieser Erfrischung freue ich mich auf eine warme Wohnung. Unsere nächste Gastgeberin ist noch am Arbeiten, aber auch hier können wir schon rein.
Der Wetterbericht für heute ist durchwachsen, wir schlafen aus und machen uns mit Regenhosen im Gepäck gegen zehn Uhr mit dem Velo auf den Weg nach Saksun. Es geht zuerst wieder über die Brücke, die die Insel Eysturoy mit Streymoy verbindet. Danach verlassen wir die vielbefahrene Strasse und fahren durch das Tal Saksunardalur. Es fahren zwar mehrere Touristen mit demselben Ziel vorbei, uns begegnen aber vor allem aber Schafe, Gänse und andere Vögel. In Saksun gibt es ein kleines Museum in einem Bauernhaus, leider öffnet dieses aber erst Mitte des Monats. Die örtliche Kirche wurde 1858 eingeweiht, stand zuvor in Tjørnuvík, wo sie abgebaut wurde. Die Aussenmauern sind aus Stein, durchs Fenster blickend – leider war auch diese Kirche verschlossen – ist zu erkennen, dass Innenwände, Stützbalken und der Altar aus Holz sind und wohl diese aus Tjørnuvík stammen. Vorgelagert befindet sich ein kleiner Friedhof, wo sich ein Mutterschaf und sein Lamm am grünen Gras satt fressen. Als sich die beiden einem der Gräber nähern, reklamiert der Austernfischer lautstark. Die beiden Schafe stören sich aber nicht im Geringsten dran. Als das Mutterschaf dann aber auch noch dort rumtrampelt, wo der aufgeregte Vogel sein Nest hat, verjagen wir die beiden Schafe vom Friedhof. Die anderen Besucher sind etwas erstaunt, ob unserem Verhalten. Wir erklären. Der Vogel läuft immer noch nervös hin und her. Was machen die Touristen – gehen mit ihrem Handy nah ans Grab, um ein Foto vom Nest zu schiessen… Als dann endlich alle wieder von dannen ziehen, hat der Vogel wenigstens bis zum nächsten Ansturm, der in einer kleinen Gruppe Asiaten erfolgt, seine Ruhe. Immer noch trockenen Fusses fahren wir gemeinsam wieder zurück und Philipp macht noch einen Abstecher ans Meer nach Tjørnuvík. Mir entgehen spektakuläre Klippen, dafür sind endlich meine Fotos aussortiert und bearbeitet – morgen ist ja auch noch ein Tag und das Wetter soll noch besser werden.
Heute lernen wir: den Wetterbericht am Vortag für die Reiseplanung zu konsultieren, kann man sich schenken. Aus dem 30% Regenrisiko wird schon frühmorgens ein 100%iges, gegen Null geht es ganztags nie und das bei einem Wind, der die Tropfen waagerecht durch die Luft tanzen lässt… Sogar Philipp entschliesst irgendwann, dass das kein Velowetter ist. Denn erst wollen wir noch unsere Runde über Funnings drehen und lediglich auf die Besteigung des höchsten Punktes auf den Färöern, den Slættaratindur, verzichten. Nun, morgen ist ja auch noch ein Tag, den wir Klaksvik abschliessen werden.
Es ist trocken und weniger stürmisch als am Vortag, also drehen wir heute unsere für gestern geplante Runde – halt mit Gepäck. Vielleicht öffnet sich die Wolkendecke noch und wir können auf den Slættaratindur. In Eiði sehen wir den wohl am häufigsten fotografierten Fussballplatz, der nicht mehr in Betrieb ist. Zum Glück gibt’s schon so viele Fotos davon, dass ich nicht ansatzweise auf den Gedanken komme, die andere Hügelseite für den richtigen Blickwinkel zu erfahren. Der Platz dient nun als Campingplatz. Wir erklimmen den Pass, verzichten aber aufgrund des Nebels auf den Slættaratindur und fahren runter nach Funningur. Dort machen wir einen Zwischenstopp bei der Kirche von 1847, leider ist diese verschlossen. Auffallend sind die schwarz geteerten Aussenwände aus Holz.
Nach weniger als 40 km nimmt nicht nur der Nieselregen, sondern auch der Verkehr zu. Also besteigen wird mit Sack und Pack den Bus, der uns durch ein Unterseetunnel nach Klaksvik bringt. Abends gehen wir auswärts essen. Wir landen in einem Pizza-Imbiss, der sogar eine vegetarische Pizza auf der Karte hat. Was uns vorgesetzt wird, ist zwar nicht ansatzweise vegetarisch, aber wir sind hungrig.
Morgens gelangen wir mit der Fähre in einer 20-minütigen Fahrt von Klaksvik zur Insel Kalsoy. Während wir noch am Strassenrand diskutieren, weshalb wir noch nie Seehunde sahen – es gibt ja nicht nur Steilküsten auf den Färöern sondern auch flachere Abschnitte mit vorgelagerten Steinbänken, wie hier am Südrand von Kalsoy, die doch wie geschaffen sind für Seehunde – streckt plötzlich einer seinen Kopf aus dem Wasser. Er taucht nochmals unter und wieder auf und dann ist er weg. Inzwischen sind auch alle Autos weg und wir haben die Strasse für uns. Während wir die letzten Tage den Tunneln immer ausgewichen sind, stehen heute acht Tunnelfahrten auf dem Programm. Über die ältesten Tunnels auf den Nordinseln gibt es in diversen Foren Schauergeschichten zu lesen: unbelüftet, unbeleuchtet, einspurig, nass und Kohlenmonoxidvergiftung lauten die Stichworte. Auf der langgestreckten Insel Kalsoy gibt es eine Strasse mit vier Tunnel sowie vier Dörfer. Kalsoy ist bekannt für seinen Leuchtturm Kunnur. Wohl vor allem durch Instagram wird die Insel zeitweise von Touristen geflutet. Wobei sich aufgrund der Erschliessung – die Insel ist nur per Fähre erreichbar (wo rund 14 Autos Platz finden) – der Ansturm dann doch in Grenzen hält. Das schränkt auch den Verkehr arg ein. Wir nehmen um acht bereits die letzte Morgenfähre und haben somit bis am Nachmittag Ruhe. Die Rechnung geht auf. Zweimal müssen wir in eine der Ausweichbuchten, die es alle 150 m gibt, ansonsten können wir durchradeln. Alle Tunnel haben eine Steigung, Wasser fliesst ab und der Wind zieht durch – die Luft ist also auch in Ordnung. Man will zwar schon nicht mit zig Autos gleichzeitig durchfahren, aber das kommt wohl eh nicht vor. Auch sind alle Tunnel spärlich beleuchtet. Mit dem Auto mag das dunkel erscheinen, aber wenn sich die Augen mal an die Dunkelheit gewöhnt haben, ist es doch relativ hell, zumal wir natürlich auch Licht an unseren Rädern haben. Bevor wir das erste Tunnel erreicht haben, befreien wir ein Schaf, das sich im Zaun verheddert hat. Respektiv ist es so geschockt als Philipp mit einer Zange ihm nahekommt, dass es sich doch noch selbst befreien kann.
Einen ersten Stopp legen wir in Mikladalur ein. Oberhalb des kleinen Dorfes liegt ein Wald! Der 1953 gepflanzte Viðarlundin í Mikladali wurde bei mehreren Stürmen schon beschädigt, konnte aber doch zu einer für färöische Verhältnisse beträchtlichen Grösse wachsen. Auf einem Felsen am Meer steht seit einigen Jahren eine Bronze-/Stahlstatue der Kópakonan. Bei stürmischer See türmen sich angeblich über zehn Meter hohe Wellen über der Statue, die Robbenfrau muss also einiges aushalten.
Als wir auf Kalsoy das nördlichste Dorf Trøllanes erreichen, ist es grau und aus dem Nebel wirbeln winzige Tropfen durch die Luft. Eine Wanderung zum vielfotografieren Leuchtturm macht bei diesem Wetter keinen Sinn. So stellt sich auch nicht die Kostenfrage. Ein Bauer, über dessen Land man auf dem Weg zum Leuchtturm trampeln muss, hat angeblich die Touristen als lukrative Einkommensquelle entdeckt. Wegen des plötzlich aufziehenden Nebels und aufgrund der exponierten Lage wird zwar grundsätzlich eine geführte Tour zum Leuchtturm empfohlen, aber für diese knapp zweistündige Wanderung den Touristen pro Person rund 60 Euro abzuknöpfen ist schon fast etwas dreist. Ein Wegegeld zu bezahlen fände ich völlig in Ordnung, erst recht, wenn damit ein ausgeschilderter Weg instandgehalten wird, der die Leute auch davon abhält, quer über Weideflächen zu laufen. Auch ist das Gras meist nass, die Klippen steil und es fehlt bestimmt so manchen Besuchern an der adäquaten Ausrüstung und der notwendigen Erfahrung im Gelände. Ich erkundige mich noch bei zwei Israeli, die eben vom Leuchtturm zurückkommen, ob sie was bezahlen mussten. Das war nicht der Fall. Wahrscheinlich ist es bei diesem Wetter zu wenig einträglich. Die beiden harrten beim Leuchtturm, wo man auf steile Klippen blicken könnte, zwei Stunden aus und warteten vergeblich auf Sicht. Also radeln wir ohne Wanderung wieder durch die vier Tunnel zurück zur Fähre, nun geht es fast ausschliesslich bergab. Wir treffen noch auf zwei Bikepacker aus Deutschland. Das sind die ersten ebenfalls radreisenden Touristen, die wir treffen. Allerdings sind die beiden nicht nur mit recht wenig Gepäck, sondern auch mit dem Zelt unterwegs – Hut ab!
Für heute ist die Wettervorhersage morgens nass, nachmittags soll eine kurze Schönwetterphase beginnen – wir haben es noch nicht aufgegeben mit der hiesigen Wettervorhersage. Im örtlichen Kaffee genehmigen wir uns ein leckeres Frühstück sowie Kaffee und Kuchen! Nachmittags – wenn es dann aufhellen wird, wollen wir die Aussicht vom Berg Klakkur geniessen. Gegen Mittag verlassen wir das Kaffee, spazieren auf die andere Seite des Städtchens, wo bereits die nächste Bucht beginnt und statten der ersten geöffneten Kirche, die wir hier antreffen, einen Besuch ab. Der Nieselregen hört zwar zeitweise auf, der Wolkendeckel über Klaksvik bleibt. Also lassen wir es auch heute mit dem Wandern bleiben. Es ist zwar lange hell und ein Abendspaziergang auf den Klakkur läge auch drin, aber auch abends um elf ist das Wetter noch so wie nachmittags um drei: grau. Eigentlich hatte ich mir dynamisches Wetter erhofft, steter Wechsel zwischen zumindest etwas Sonnenschein und Wolken. Bisher wurden diese Hoffnungen eher enttäuscht.
Heute packen wir Wanderschuhe sowie Stöcke ein, denn wir wollen den Villingadalsfjall erklimmen, schliesslich ist für Nachmittag und Abend die Wettervorhersage so gut wie noch nie. Der Berg ist zwar nur 841 m hoch, gilt aber als schwierig, weiter noch zum Kap Enniberg haben wir nicht vor. Das ist uns zu exponiert und soll nur mit Führer bestiegen werden. Wenig überraschend, aber es gibt auch Leute, die sind die Wand hochgekraxelt. Enniberg gilt als das höchste senkrecht abfallende Kliff Europas. Dafür müssen wir aber erst mal durch zwei einspurige Tunnel. Das geht sehr gut, da es Samstag morgens wenig Verkehr hat. Auf der anderen Seite der Insel Borðoy ist die Sonne auch noch nicht aufgetaucht, weshalb wir erst einmal nach Múli fahren, bevor wir den Damm zur östlicheren Insel Viðoy überqueren. In Muli hat es wieder so Holzgestänge zum Aufhängen von irgendwas. Wie wir später rausfinden, dienen diese Konstruktionen zum Trocknen von Gras. Die beiden Deutschen Bikepacker haben was von einem sehr netten Kaffee im Dorf nach den Tunnels erzählt, das nur mit einem Schild «open» zu erkennen ist. Leider finden wir dieses nicht entlang der Hauptstrasse, aber auf der Touristentafel im Dorf (hat es fast überall) lese ich, dass es einen Supermarkt gibt. Wir hoffen dort auf ein warmes Getränk, das wir aus einer Jura-Kaffeemaschine auch bekommen! Da es immer noch grau ist und kaum Verkehr hat, beschliessen wir, eine Rundtour zu machen und durchqueren den nächsten Tunnel. Dieser ist zweispurig und beleuchtet und es gibt keine nervigen Seitenwinde. Tunnelfahren ist toll! Der Viðareiðistunnilin ist von 2016 und soll wohl vor allem die Lawinengefahr im Winter mildern, damit erschlossen wird aber nur das Dorf Viðareiði mit rund 350 Einwohnern. Auf der anderen Seite sehen wir auf die östlichste Insel der Färöer: Fugloy. Das Wetter bessert, aber der Villingadalsfjall bleibt im Nebel. Da macht eine Besteigung keinen Sinn, zumal die hiesigen Wanderwege auch nicht so ganz mit den schweizerischen zu vergleichen sind. Stattdessen bestaunen wir die Wellen und das Meer – auch schön! Zurück im Dorf Hvannasund machen wir noch einen Schlenker in Richtung Hafen und entdecken endlich das Bijoux mit dem «open» Schild draussen vor der Tür: Das Kaffee im alten Schulhaus. Liebevoll eingerichtet mit hausgemachtem Rhabarberkuchen mit Sauerrahm und einer heissen Schoggi mit Schlagrahm und Marshmellow. Mmmh! Wir haben zwar bereits fast 1000 Höhenmeter in den Beinen, machen aber auf dem Heimweg noch einen Abstecher zur Insel Kunoy, das mit seinem über 3 km langen Tunnel lockt. Dieser ist unbeleuchtet, dafür aber breit. Von den insgesamt zehn färöischen Bergen über 800 Meter liegen sechs davon aufgereiht wie auf einer Perlenschnur auf Kunoy. Leider sehen wir aufgrund des grauen Deckels 300-500 m über uns die Gipfel nicht, aber es hellt dennoch etwas auf und ist nicht mehr statisch grau. Da es schon acht ist und die Küche unseres airbnbs für Gäste nur bis 18 Uhr nutzbar ist, gehen wir in ein Restaurant. Die Wahl fällt auf den anderen Pizza-Imbiss, da sonst nur noch Steakhouse und Grill-Imbiss zur Verfügung stehen. Wie schon vorgestern ist auch dieses Mal nicht das auf der Pizza drauf, was wir bestellen. Egal, so hungrig wie wir sind, verputzen wir diese rasch.
Wir nehmen den Bus um 7.45 Uhr. Spätestens als auch um 7.50 Uhr noch kein Bus in Sicht ist, beginne ich an meinen Fahrplan-Leseküsten zu zweifeln. So manche Verkehrsmittel fahren hier jeden Tag zu anderen Uhrzeiten. Ein "x" im Fahrplan signalisiert wochentags, eine "1" Montag, eine "2" Dienstag usw. Aber nein, an mir liegt es nicht: Der Bus verlässt sonntags seinen Ausgangsort einfach nicht pünktlich. Wir sind froh vor dem Wind geschützt in der Wärme zu sitzen und haben sogar das Glück, von einigen Sonnenstrahlen durch die Scheibe gewärmt zu werden. Einige Reihen vor mir wird die Sonnenblende runtergezogen. Die sonntäglichen Frühaufsteher wollen noch etwas dösen. Bei Sonnenschein und blauem Himmel steigen wir einige Kilometer vor der Hauptstadt aus, damit wir über eine Panoramastrasse in die Hauptstadt fahren können. Bei der Tankstelle wollen wir uns noch eine Stärkung besorgen. Es warten bereits drei Jungs vor dem Eingang und es kommen auch noch mehrere Einheimische vorbei, die im Shop einkaufen wollen. Leider bleibt es dort drinnen dunkel und die Tür verschlossen, obwohl gemäss Schild der Shop am Sonntag um 9 Uhr öffnet. Scheinbar nimmt man es mit den Uhrzeiten hier nicht so genau oder es liegt daran, dass Pfingstsonntag ist. Wir nutzen die Pause und schmieren unsere Gesichter mit Sonnencrème ein.
Als wir die erste Passhöhe erklommen haben, verzichten wir aufgrund des aufziehenden Nebels auf den Abstecher zum über 700 m hohen Berg. Man müsste auch dieselbe Strasse hoch und wieder runterfahren, für so was kann ich mich selten begeistern, bin ich dem Nebel also schon fast dankbar. Auf dem Weg zur Hauptstadt haben wir einige spektakuläre Blicke auf die beiden bewohnten Inseln Koltur und Hestur. In Tórshavn angekommen deponieren wir unsere Taschen in unserer netten Airbnb-Wohnung und fahren (wohl oder übel über einen Mini-Pass) nach Kirkjubøur, vom 12.–16. Jh. geistliches Zentrum auf den Färöer.
Heute besichtigen wir die Hauptstadt Tórshavn (wird in etwa ausgesprochen als Torschaun). Erst fahren wir mit dem Velo zum zwei Kilometer entfernten Nationalmuseum im Stadtteil Hoyvík, wo wir vieles über Geologie, Flora, Fauna sowie Geschichte erfahren. Auch Instrumente und Fotos von der Jagd auf Papageientaucher sowie die vor allem im Ausland umstrittene Grindwaljagd werden gezeigt – nicht aber thematisiert. Nach diesem Besuch radeln wir wieder heim, deponieren unsere Velos und machen uns zu Fuss auf den Weg ins Zentrum. Dabei spazieren wir durch den Park und dürfen wieder einmal etwas hochgewachsenes Grün bestaunen. Büsche und Bäume sind ausschliesslich in den Dörfern anzutreffen. Der Park ist grösser als er auf den ersten Blick erscheint und nicht in fünf Minuten durchschritten.
Tinganes ist eine mini-Halbinsel, auf der sich die Altstadt sowie der Regierungssitz befinden. Im Hafenbecken gibt es drei Rudermannschaften à sechs Ruderer, die sich mit diesen massiven Holzbooten sportlich betätigen. Danach spazieren wir zur 1580 errichteten Festung Saksin. Heute thront ein Leuchtturm zuoberst und einige Kanonen erinnern an die vergangene Funktion. Die Kirche Vesturkirkjan fiel uns schon gestern auf, als wir nach Torshavn hinuntergefahren sind. Mit etwas über 40 m stellt diese das höchste Gebäude auf den Färöern dar. Am Wochenende ist sie jedoch nicht für Touristen geöffnet. Auf dem Heimweg spazieren wir beim örtlichen Fussballstadion vorbei, wo in Kürze der Anpfiff Färöer-Norwegen ist.
Heute wollen wir an die Südspitze von Suðuroy (ausgesprochen Suroi). Auf dem Hinweg umfahren wir den Tunnel über eine Panoramastrasse mit herrlicher Aussicht. Dank des stürmischen Windes hängen endlich die Wolken nicht dicht über unseren Köpfen und wir können die Aussicht geniessen! Abends wird das Wetter noch besser: Sonnenschein UND blauer Himmel UND Windstille – traumhaft! So besteigen wir bei Sonnenuntergang noch den Aussichtspunkt von Vagar und dürfen schon wieder eine spektakuläre Aussicht geniessen.
Bei teils etwas garstigem Wind fahren wir die rund 16 km zum Fährhafen – der drei Kilometer lange Tunnel ist angenehm zu fahren: wenig Verkehr und kein Gegenwind. Bevor wir das Schiff besteigen, machen wir einen Abstecher zu den Basaltsäulen. Auf der Fähre gibt es die Eissturmvögel zu bestaunen, die dem Schiff folgend knapp über der Wasserfläche dahinsegeln. Auf dem Meer gibt es zwar noch Wind, aber kaum mehr Wolken. Diese liegen wie Hüte über den Hügelspitzen der Inseln. Im Pub "Sirkus" geniessen wir einen sehr feinen vegetarischen Burger und leckere, knackige Pommes. Bevor wir unter die warme Bettdecke kriechen, machen wir nochmals einen Spaziergang über die Halbinsel Tinganes.
Heute treffen wir erstmals auf einen Färöer, der über die Lachsfarmen schimpft. Er beklagt sich über die Wasserverschmutzung durch die eingesetzten Pestizide (vor allem gegen die Lachslaus), dort wo die Lachsfarmen sind, sei alles tot und sowieso findet er Lachs nicht schmackhaft, aber es drehe sich eben alles um Money, Money, Money. So auch hier. Wir treffen auf diesen jungen Typen bei der Eingangspforte zur Wanderung zum Wasserfall Bøsdalafossur. Seit April dieses Jahres wird verpflichtend Eintritt verlangt (ca. 30 CHF/Person). Auch hier führt der Wanderweg über privates Gelände (über 80% des Landes soll in Privatbesitz sein) und wie ich online ausfindig mache, hat sich aufgrund des grossen Besucheransturms nicht nur der Zustand des Landes verschlechtert, sondern auch die Zahl der Heidevögel abgenommen wie auch aufgrund des Stresses das Gewicht der Lämmer. Dafür wird nun ein Pfad angelegt, es gibt ein Toilettenhäuschen, Kaffee und Tee sowie einen Kiosk. Markierte Wege sind ab einer gewissen Menschenmenge – und die ist an den touristischen Hotspots auf den Färöern zweifelsohne erreicht – eine notwendige Infrastruktur. Trampelpfade reichen irgendwann nicht mehr aus, sonst trampeln die Besucher eben überall rum. Eine Gebühr für den Unterhalt zu verlangen, finde ich legitim. Wie hoch dieser Betrag sein soll, wer dafür zuständig ist und wie das kommuniziert sind, das sind, wie mir scheint, noch offene Fragen. Beim Gehen ist ein Jugendlicher für die Kontrolle verantwortlich, der macht das lascher als der andere Typ zuvor und so huschen einige Touris ohne was zu bezahlen durch. Es hat zwar eine Tafel mit dem Verlauf des Weges, es fehlt aber der Hinweis, dass für diese Wanderung bezahlt werden muss. Auch auf der offiziellen Tourismuswebseite und im Wanderheft von «Visit Faroe» habe ich auf die Schnelle nichts gefunden. Der Typ bei der Kasse wies uns darauf hin, dass wir den Weg – der noch nicht ganz fertig gestellt ist – nicht verlassen dürfen und nicht zu nah an die Klippen ran sollen. Das macht gerade im Weidebereich bei der teils exponierten Lage und der Windböen Sinn. Allerdings ignorieren viele den Teil mit den Klippen. Denn erst dort vorne hat man diesen spektakulären Blick. Auf der gegenüberliegenden Seite des Einschnitts ist eine riesiger – wohl recht rezenter – Abbruch zu erkennen. Ganz so stabil scheint das hier nicht zu sein. In Ferner Zukunft wird wohl auch der grösste See auf den Färöern ein Fjord werden.
Schon auf dem Weg zum Aussichtspunkt kommen uns mehrere Touristen aus Fernost entgegen. So treffen wir auf eine Gruppe junger Frauen aus Taiwan. Bei unserer ersten Unterkunft hatten zwei Männer aus Malaysia auf ihrer Tour durch Nordeuropa Halt gemacht. Wir überschlagen, was die heutigen Einnahmen für diesen Wanderweg sind und kommen auf etwa 3000 CHF an einem Samstag zu Beginn der Hochsaison mit recht guter Sicht. So was wie Kurtaxen gibt es nicht und einheitliche Regelungen offensichtlich auch noch nicht – es braucht wohl beides, sobald die kritische Masse überschritten ist.
Heute besuchen wir ein weiteres bekanntes Fotomotiv: den Mulafossur bei Gásadalur. Das Dorf wurde erst 2006 durch einen Tunnel erschlossen, zuvor nur erreichbar per Heli oder zu Fuss. Auch ihre Boote liessen die Leute im nächsten Dorf. Während des 2. Weltkrieges soll zwar von den Briten runter ans Meer eine Treppe angelegt worden sein. Die oberen Stufen sehen wir, wie die letzten zehn Höhenmeter zurückgelegt werden allerdings nicht. Wir halten uns an die "Zutritt verboten"-Weisung und verspüren nicht wie andere Touris den Wunsch, unten auf den Felsen rumzuklettern.
Zum Znacht gibt es unseren letzten mitgebrachten Kartoffelstock mit Rahmsauce, dazu haben wir noch einige Oliven übrig. Das Glas wandert anschliessend in den Abfall, wie auch die Bierdose, die unsere Gastgeberin uns auf den Tisch gestellt hatte. Recycling gibt es nicht. Für uns immer noch ungewohnt, aber für 50'000 Einwohner und rund 100'000 Touristen pro Jahr (inzwischen wohl einige mehr) wäre das wohl nicht wirtschaftlich und wie ökologisch sinnvoll es ist, das Wertstoffgut nach Dänemark zu schippern, ist fraglich. Wenige Tage nach unserer Ankunft fragten wir uns, wie das mit dem Abwasser funktioniert. Ein Einheimischer erklärt uns, dass dieses ins Meer geleitet wird.