Morgens gelangen wir mit der Fähre in einer 20-minütigen Fahrt von Klaksvik zur Insel Kalsoy. Während wir noch am Strassenrand diskutieren, weshalb wir noch nie Seehunde sahen – es gibt ja nicht nur Steilküsten auf den Färöern sondern auch flachere Abschnitte mit vorgelagerten Steinbänken, wie hier am Südrand von Kalsoy, die doch wie geschaffen sind für Seehunde – streckt plötzlich einer seinen Kopf aus dem Wasser. Er taucht nochmals unter und wieder auf und dann ist er weg. Inzwischen sind auch alle Autos weg und wir haben die Strasse für uns. Während wir die letzten Tage den Tunneln immer ausgewichen sind, stehen heute acht Tunnelfahrten auf dem Programm. Über die ältesten Tunnels auf den Nordinseln gibt es in diversen Foren Schauergeschichten zu lesen: unbelüftet, unbeleuchtet, einspurig, nass und Kohlenmonoxidvergiftung lauten die Stichworte. Auf der langgestreckten Insel Kalsoy gibt es eine Strasse mit vier Tunnel sowie vier Dörfer. Kalsoy ist bekannt für seinen Leuchtturm Kunnur. Wohl vor allem durch Instagram wird die Insel zeitweise von Touristen geflutet. Wobei sich aufgrund der Erschliessung – die Insel ist nur per Fähre erreichbar (wo rund 14 Autos Platz finden) – der Ansturm dann doch in Grenzen hält. Das schränkt auch den Verkehr arg ein. Wir nehmen um acht bereits die letzte Morgenfähre und haben somit bis am Nachmittag Ruhe. Die Rechnung geht auf. Zweimal müssen wir in eine der Ausweichbuchten, die es alle 150 m gibt, ansonsten können wir durchradeln. Alle Tunnel haben eine Steigung, Wasser fliesst ab und der Wind zieht durch – die Luft ist also auch in Ordnung. Man will zwar schon nicht mit zig Autos gleichzeitig durchfahren, aber das kommt wohl eh nicht vor. Auch sind alle Tunnel spärlich beleuchtet. Mit dem Auto mag das dunkel erscheinen, aber wenn sich die Augen mal an die Dunkelheit gewöhnt haben, ist es doch relativ hell, zumal wir natürlich auch Licht an unseren Rädern haben. Bevor wir das erste Tunnel erreicht haben, befreien wir ein Schaf, das sich im Zaun verheddert hat. Respektiv ist es so geschockt als Philipp mit einer Zange ihm nahekommt, dass es sich doch noch selbst befreien kann.
Einen ersten Stopp legen wir in Mikladalur ein. Oberhalb des kleinen Dorfes liegt ein Wald! Der 1953 gepflanzte Viðarlundin í Mikladali wurde bei mehreren Stürmen schon beschädigt, konnte aber doch zu einer für färöische Verhältnisse beträchtlichen Grösse wachsen. Auf einem Felsen am Meer steht seit einigen Jahren eine Bronze-/Stahlstatue der Kópakonan. Bei stürmischer See türmen sich angeblich über zehn Meter hohe Wellen über der Statue, die Robbenfrau muss also einiges aushalten.
Als wir auf Kalsoy das nördlichste Dorf Trøllanes erreichen, ist es grau und aus dem Nebel wirbeln winzige Tropfen durch die Luft. Eine Wanderung zum vielfotografieren Leuchtturm macht bei diesem Wetter keinen Sinn. So stellt sich auch nicht die Kostenfrage. Ein Bauer, über dessen Land man auf dem Weg zum Leuchtturm trampeln muss, hat angeblich die Touristen als lukrative Einkommensquelle entdeckt. Wegen des plötzlich aufziehenden Nebels und aufgrund der exponierten Lage wird zwar grundsätzlich eine geführte Tour zum Leuchtturm empfohlen, aber für diese knapp zweistündige Wanderung den Touristen pro Person rund 60 Euro abzuknöpfen ist schon fast etwas dreist. Ein Wegegeld zu bezahlen fände ich völlig in Ordnung, erst recht, wenn damit ein ausgeschilderter Weg instandgehalten wird, der die Leute auch davon abhält, quer über Weideflächen zu laufen. Auch ist das Gras meist nass, die Klippen steil und es fehlt bestimmt so manchen Besuchern an der adäquaten Ausrüstung und der notwendigen Erfahrung im Gelände. Ich erkundige mich noch bei zwei Israeli, die eben vom Leuchtturm zurückkommen, ob sie was bezahlen mussten. Das war nicht der Fall. Wahrscheinlich ist es bei diesem Wetter zu wenig einträglich. Die beiden harrten beim Leuchtturm, wo man auf steile Klippen blicken könnte, zwei Stunden aus und warteten vergeblich auf Sicht. Also radeln wir ohne Wanderung wieder durch die vier Tunnel zurück zur Fähre, nun geht es fast ausschliesslich bergab. Wir treffen noch auf zwei Bikepacker aus Deutschland. Das sind die ersten ebenfalls radreisenden Touristen, die wir treffen. Allerdings sind die beiden nicht nur mit recht wenig Gepäck, sondern auch mit dem Zelt unterwegs – Hut ab!