Hoch hinaus!

Wie auch schon gestern wäre das heutige Programm vor einigen Wochen wohl noch beeindruckender gewesen. Wir erklimmen den aktuell zweithöchsten Turm der Welt: den Tokyo Skytree. Die Warteschlange ist kurz. Innerhalb von 50 Sekunden geht es im ersten Lift 350 m rauf, wo man eine herrliche Rundumsicht hat. Die Stadtzentren Ueno, Shinjuku und Shinagawa sind mit ihren Hochhäusern gut zu erkennen. Der 100 km entfernte Fuji verbirgt sich jedoch im Dunst. Wir wollen auch auf die höhere Aussichtsplattform, bezahlen nochmals etwas und fahren mit dem Lift weitere 100 m in die Höhe. Der beworbene Glasboden ist etwas enttäuschend, einerseits aufgrund seiner mickrigen Grösse, andererseits hat es wenige Meter unterhalb nochmals eine Glas-Stahl Konstruktion. Auch Philipp kann drüber laufen. Die Aussicht auf der unteren Plattform durch die grossen Scheiben hat mir am besten gefallen (die zweite Aussichtsplattform könnte man sich auch sparen). Neben den Hochhausvierteln sind die Park- und Tempelanlagen gut zu erkennen und Friedhöfe, die meist zwischen Häusern eingepfercht sind. Auch die mit Netzen umspannten Baseballfelder sind im Hausgewimmel gut auszumachen. Nach einer Glace fahren wir nach Akihabara, wo wir vor über einer Woche die letzten freien Plätze in einem Eulekaffee gebucht haben.

 

Das Akiba Fukurou sticht bei den Bewertungsprotalen aus der grösseren Menge der Eulenkaffees in Toyko durch seine guten Bewertungen hervor. Wir hoffen, dass es dort den Eulen besser ergeht als den Krokodilen in Beppu und sind gespannt, was uns erwartet. Bevor wir eintreten dürfen, erhalten wir eine dicke Broschüre mit do’s and dont’s. Flüsternd werden wir begrüsst, überreichen die 2000 Yen/Personen, ziehen die Jacke aus und legen unsere Taschen ab. Es ist still drinnen. Einige Eulen sitzen mit geschlossenen Augen auf ihren Stangen, andere blicken umher. Alle zwölf Anwesenden erhalten eine Einweisung auf Englisch: mit den Tieren kuscheln ist verboten, laut sprechen und hastige Bewegungen ebenfalls, mit einem Finger von vorne kommend an der Stirn berühren ist erlaubt. Bei den Tieren, die eine Ruhepause haben, nicht. Fotografieren mit Abstand ist ebenfalls möglich. Im kleinen Raum sitzen auf drei verschiedenen Höhen 35 (!) Tiere. Als erstes nähere ich mich einem kleinen Kautz, er schliesst die Augen als ich komme und dreht seinen Kopf weg. Also lasse ich ihn in Ruhe. Kurz darauf werde ich gefragt, welches Tier ich auf den Arm nehmen möchte. Ich entscheide mich für eine West-Kreischeule aus Nord- und Zentralamerika, die daneben sitzt und mich ruhig anblickt. Vorsichtig streckt die junge Frau ihre Hand hin, die Eule klettert umgehend darauf, wird von ihrem Stängeli losgemacht und mir auf den Arm gesetzt, ich bekomme die Schnur in die Hand. Danach beginnt der kleine Okra mit seiner Federnpflege. Damit ist er die nächsten 20 Minuten beschäftigt und ignoriert mich komplett. Also bestaune ich den Malayen-Uhu aus Südostasien, der wenig später einbeinig auf Philipps Hand sitzt. Der Uhu schaut neugierig umher und macht ab und an fast schon so was wie zwitschernde Geräusche. Okra lässt sich nicht beirren und putzt sich seelenruhig weiter. Da ich extra meine Kamera mit Portraitobjektiv dabei habe, will ich die verbleibenden 15 Minuten auch nutzen und bitte die Dame meine Eule wird abzusetzen. Sie findet es wohl bequem auf meinem Arm, denn statt auf den Finger der Dame zu springen, klettert sie auf meine Schulter. Sie wird aber wieder auf ihrem Platz abgesetzt. Ich knipse einige Bilder und möchte noch eine Schneeeule halten. Ich entscheide mich für eine Schleiereule, die bereitwillig auf meinen Arm kommt. Die Aussicht scheint ihr aber nicht sonderlich zu gefallen, sie klettert von dort erst auf meine Schulter und hüpft dann auf meinen Kopf. Die Stunde verging wie im Flug. Uns ist nicht klar, ob die Tiere einen Rückzugsort haben oder ihr Leben wirklich in diesem Zimmer fristen müssen, wo alles künstlich ist. Kein Grün, kein Ast, kein natürliches Licht. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass wenn der letzte Gast aus der Tür ist, die Angestellten wie in Nara mit dem Staubsauger um die Tiere düsen. Die Tiere werden respektvoll und umsichtig behandelt. In Freiheit wären sie besser aufgehoben, das ist keine Frage. Nur kennen diese die Tiere halt gar nicht. Die Eulen sind so aufgewachsen. Ein solcher Ort schafft den Raum für eine Begegnung, die uns sonst kaum je möglich wäre. Ausser man zieht einen Jungvogel auf – Bubu lässt grüssen. Es bleibt die Hoffnung, dass dieser Ort die Besucher sensibilisiert und so zum Schutz der Tiere und ihrer Lebensräume beiträgt. Damit und aufgrund der Tatsache, dass wir im dicht bebauten Tokyo weilen, wäre die Haltung halbwegs zu rechtfertigen. Bei uns wäre so was absolut undenkbar und das ist auch gut so.

 

Als wir daheim sind, kommen wir schon wieder in den Genuss von Mihos Kochküsten. Es gibt feine Udon-Nudeln mit Lauch und Ei, sowie Kartoffeln mit Peperoni und dem grünen Teil des Knoblauchs. In einer weiteren Schale sind Tofu mit Lotuswurzeln und Pilzen zu finden, garniert mit geriebenem Rettich. Letzteres gibt es hier häufig auf Gerichten. Dazu gibt es ein Schälchen mit knackigem, eingelegtem aber ebenfalls nicht scharfen Rettich. Festmahl! Um halb zehn haben wir gepackt und machen uns schon auf den Weg zum Flughafen.