Blaues Feuer

Um Mitternacht geht es in Kalibaru los. Nach rund zwei Stunden Fahrt erreichen wir den Ausgangspunkt für die Besteigung des Kawah Ijen im Ijen Merapi Maelang Reserve. Wir sind nicht die einzigen, die schon zur frühen Morgenstunde auf den Beinen sind. Der Parkplatz ist voll mit Jeeps, Touristen und Verkäufer, die auf Kundschaft hoffen. Da wir nicht vorhaben, in den Krater runterzusteigen, benötigen wir auch keine Gasmaske. Dieser Vulkan ist für seinen Schwefelabbau und den Kratersee, der auch als grösstes Säurefass der Erde bezeichnet wird, bekannt resp. berühmt berüchtigt. Am Südostufer des Sees wird seit rund 50 Jahren Schwefel abgebaut. Der gasförmige Schwefel wird durch Rohre zur tiefer gelegenen Entnahmestelle geleitet, wo er sich zu einer zähen Masse verflüssigt und mit Eisenstangen von lokalen Arbeitern gebrochen wird. Träger schultern zwei Bambuskörbe und bringen so die Schwefelbrocken zum 200 m höher gelegenen Kraterrand, wo das leuchtend gelbe Gestein auf Karren umgeladen und runtergekarrt wird. Wenn sich der Schwefel entzündet, fliesst er als leuchtend blau brennender Strom in den Kratersee – für dieses Spektakel sind all diese Touris und auch wir schon so früh auf den Beinen. Der Weg hoch zum Kraterrand ist zwar teilweise recht steil, aber so ausgebaut, dass ein Führer nicht notwendig ist. Da wir vorhaben, die rund 500 Höhenmeter aus eigener Kraft zu bewältigen, benötigen wir auch nicht drei Jungs, die Touris in Handkarren hochziehen und stossen. Je nach zu befördernder Masse muss das ein grosses Mühsal sein! Während des einstündigen Aufstieges werden wir mehrfach mit «Taxi, Taxi» angesprochen. Gegen oben wird der Weg schmaler, ein Vorankommen im Dunkeln ist fast nur noch im Gänsemarsch möglich. Viele der Schwefelträger sind mit Flipflops oder mit Gummistiefel ausgerüstet, die meisten Touristen sind in Turnschuhen oder Sandalen unterwegs. Beim Kraterrand angekommen, steigen wir weiter hoch während der Touristenstrom sich im Gänsemarsch über eine Geröllhalde nach unten bewegt. Die Aussicht hält sich in Grenzen, vorerst versperrt eine grosse Nebelwolke den Blick in den Krater. Diese verzieht sich jedoch plötzlich und wir erblicken weit unten das blaue Feuer, dahinter viele kleine helle Punkte, die sich auf das blau wabernde Licht zu bewegen. Ab und an flackert ein Blitzlicht auf und stört die Ruhe oder irgendein Depp zündet mit einer starken Lampe in der Gegend rum. Noch in der Dämmerung beginnen sich gelb leuchtende Schwefelbänke und das Blau des Kratersees abzuzeichnen und wir erblicken Schwefelträger, die sich an den Touristenströmen vorbei nach oben zwängen. Wir bereuen unsere Entscheidung, nicht zum Kratersee abzusteigen, keinesfalls. Auch wenn das «blaue Feuer» aus der Nähe sicher noch eindrücklicher ist.