Das Stück Schokoladenkuchen mit dickem Schoggi-Überzug hab ich schon gegessen, die Krümel kleben noch an meinen Lippen. Das luftige Ofenchüechli liegt zum Reinbeissen bereits in meiner Hand. Dann ist es vier Uhr. Der Wecker klingelt. Fies!
Heute steht der Khaburabot-Pass auf dem Programm: 1400 m rauf, 2000 m runter. Für jemanden, der vor wenigen Tagen seinen ersten Pass mit dem Velo gemeistert hat, ist das viel – geübte Velofahren haben dafür wohl nur ein müdes lächeln übrig. Zuerst führt der Weg durch eine Schlucht und steigt sanft an. Einzig die Strasse ist weniger sanft, holprig geht es bergauf, gesäumt von Wiesen und Weideflächen mit Kühen und Pferden. Die sanfte Hügellandschaft wird mehrfach jäh von Erosionseinschnitten unterbrochen. Einige wenige Male begegnen uns Leute. Meist lautet die Frage «at kuda», «schwizarija» ist dann die Antwort. Nach dem Bewältigen der ersten 500 Höhenmetern wird die nächste Etappe sichtbar – zum Glück! Ich möchte nicht von Beginn an sehen, wo ich noch rauf muss. Das fände ich demotivierend. Holprig geht es auch beim zweiten Abschnitt bergauf. Auf unserer Karte ist ein Restaurant eingezeichnet, dort wollten wir Tee trinken. Mein Lichtblick! Oben angekommen, gibt es eine grosse Terrasse, wo einer in Militärkluft und Kalaschnikow sitzt. Beim Eingang plätschert kühles Quellwasser. Es stellt sich heraus – nachdem ich nach Tee gefragt hatte – dass das kein Restaurant, sondern ein Militärposten ist. Die Soldaten waren freundlich. Hätten wir Tassen griffbereit gehabt, hätten wir Tee bekommen. Hatten wir aber nicht. Die waren stratigraphisch in einer vorderen Radtasche weit unten im Pfannenset verstaut. So füllen wir lediglich unsere Wasserflaschen auf und treten wieder in die Pedale oder wie in meinem Fall: schieben das Rad weiter. Es gibt nochmals einen leichten Anstieg und nach der Kurve noch einer, bis wieder ein Zwischenboden – immerhin schon auf 3000 m – erreicht wird. Wir machen eine kurze Pause, während die Sonne auf uns niederbrennt. Wenige Meter neben der Strasse gibt es zwar zwei halb zerfallene Bauten, die Schatten spenden würden. Da wir aber im Vorfeld mehrfach gelesen hatten, dass dieser Streckenabschnitt vermint ist, setzen wir uns halt in den Schatten unserer Räder und essen unsere Gurken und einige Kekse. Philipp hat mir für diesen Pass Doping eingepackt: Energy Cola. Eigentlich dachte ich, ich spare mir das lieber für härtere Tage auf, andererseits hat der Beutel bereits ein kleines Loch und die Tüte ist klebrig. Also probier ich zum ersten Mal diese Sportler-Sofort-Energie-Flüssignahrung auf die einige meiner Gigathlon-Gspänli so sehr schwören. Ja doch, das Zeug wirkt. Die letzten 350 Höhenmeter gingen ziemlich flott voran, ein wenig vergass ich alles rundherum und wollte nur noch da rauf. Gleichzeitig finde ich diesen Tunnelblick etwas befremdlich (ich frage mich, ob das Zeug auch zum Arbeiten wirkt). Oben angekommen geht es nur noch runter und bald beginnt der eigentlich mühsame Part, womit ich nicht gerechnet hätte. Denn bis anhin hätte ich ja die Meinung geäussert, runter ist immer besser als rauf. Nach dem heutigen Tag bin ich mir dessen nicht mehr so sicher.
Auf der anderen Pass-Seite ändert sich die Landschaft. Von lieblich, grün und sanft zu schroff, trocken und felsig. Bei den wenigen Bewohnern im oberen Teil der Abfahrt haben sogar leere PET-Flaschen einen Wert. Kinder haben uns diese abgeluchst. Dieser Abschnitt erweckt bisher den ärmlichsten Eindruck unserer Tour. Die folgenden zwei Stunden müssen wir regelmässig kurze Pausen einlegen. Die ständige Konzentration auf die holprige Strasse bestehend aus verschieden grossen, meist losen Schottersteinen und immer auf den Bremsklötzen zu sein, das finde ich unglaublich anstrengend und ermüdend. Unten werden von zwei jungen Soldaten unsere beider Namen, Passnummer und Visadaten in ein grosses Heft eingetragen. Dann folgen nochmals 500 Höhenmeter bergab entlang eines rauschenden, eisig kalten Bergbaches bis wir in Qal'ai Khumb angelangen. Dort erwarten uns in einem Homestay Znacht bestehend aus Gurken, Tomaten, Wassermelone, Joghurt, Brot, Gemüsesuppe und Pommes. Festmahl!!! und das erst noch nach einer Dusche, welch Wohltat!
Distanz: 60 km von Inkuh nach Qal'ai Khumb
rauf: 1400 Höhenmeter
runter: knapp 2000 Höhenmeter
Temperatur: ok
Strasse: mal so :-) mal so :-(
Highlights: die Wiesen und Weiden entlang der Passstrasse beim Hochfahren, die komplett andere Landschaft beim runterfahren